Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), gibt im kommenden Herbst seinen Posten ab. Der Noch-EZB-Chef hat in seiner Amtszeit Notenbank-Geschichte geschrieben: Er hat die Nullzinspolitik mit dem neuen Instrument der Anleihekäufe kombiniert und auf dem Höhepunkt der Euro-Krise zudem in einer historischen Rede versprochen, alles zu tun, um die Gemeinschaftswährung zu retten. "Seine nachdenkliche und ruhige Art hat den Märkten gut getan", urteilt Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG in München.

Das Problem, das aus der EZB-Politik der vergangenen Jahre folgt, wird Draghi allerdings nicht mehr lösen können, sagt der Vermögensverwalter. Die Zinsen sind noch immer extrem niedrig, und die Konjunktur trübt sich allmählich wieder ein. In normalen Zeiten würde man jetzt darüber spekulieren, wann die EZB den Leitzins senkt. Draghi wird wohl ohne Zinsanpassung aus seinem Amt scheiden, glaubt Urban. "Er übergibt seinem Nachfolger einen Instrumentenkasten, der bei einer Rezession auf der Zinsseite keinen Spielraum nach unten lässt."

Kein Silberstreif für Zinspapiere
Anleger sollten sich darauf einstellen, dass der Geldmarktzins auch unter Draghis Nachfolger unter der Inflationsrate liegen wird, sagt der Vermögensprofi. "In solchen Zeiten haben Aktien die Nase vorn." Urban geht davon aus, dass Aktieninvestoren in den kommenden Jahren mit soliden Erträgen belohnt werden – zumal viele Titel durch die Kursstürze im vergangenen Jahr unterbewertet sind. "Für Aktionäre ist das Glas wieder halb voll", sagt er. "Für Zinsanleger hingegen bleibt das Glas nicht nur halb, sondern ganz leer." (fp)