Der chinesiche Anleihenmarkt könnte schon bald eine größere Rolle in globalen Bond-Portfolios spielen. Dafür bräuchte es allerdings mehr Transparenz. "Fast schon bizarr ist auf dem globalen Anleihenmarkt die Tatsache, dass China als drittgrößter Markt derzeit in keinem der Hauptindizes enthalten ist", sagt Fran Rodilosso, CFA und Head of Fixed Income ETF Portfolio Management bei Van Eck. Der Grund dafür sei, dass der chinesische Inlandsanleihenmarkt bis vor einigen Jahren für ausländische Investoren geschlossen war.

Doch durch eine bewusste und nachhaltige Liberalisierung dürfte sich dies bald ändern. Auch die Auswirkungen auf die Indizes für Schwellenländeranleihen sowie auf die Fondsgewichtung könnten erheblich sein. Professionelle Marktteilnehmer sollten dieses Rentensegment daher aufs Radar nehmen.

Drittgrößter Anleihenmarkt der Welt
Der chinesische Inlandsanleihemarkt hat den Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge einen Marktwert von rund neun Billionen US-Dollar (Stand: 30.09.2016). Er ist damit der drittgrößte Markt hinter den USA (37 Billionen US-Dollar) und Japan (14 Billionen US-Dollar).

In den vergangenen Jahren hat China einige Schritte unternommen, um den Inlandsanleihenmarkt für ausländische Investoren zu öffnen. Das erste Zeichen setzte das Land 2002 mit dem Programm für Qualified Foreign Institutional Investors (QFII). Darauf folgte 2011 das RMB Qualified Foreign Institutional Investor (RQFII) Programm.

Marktzugang für Investoren mit bestimmten Qualifikationen
"Beide Maßnahmen erlauben institutionellen Investoren mit bestimmten Qualifikationen, in den inländischen chinesischen Anleihenmarkt zu investieren", sagt Rodilosso. Seit 2012 könnten Investoren, die den Marktzugang durch diese Programme erhalten haben, Anleihen sowohl über die Börse als auch über den größeren und liquideren Interbanken-Anleihenmarkt erwerben – vorbehaltlich zusätzlicher Zustimmungserfordernisse.

Weitere Fortschritte seien erzielt worden, als 2016 der direkte Zugang zum Interbankenmarkt mittels eines neu eingeführten Registrierungsprozesses für ausländische institutionelle Investoren geöffnet wurde. Im folgenden Jahr hätten sie zudem die Möglichkeit bekommen, Währungsrisiken im Inlandsderivatemarkt abzusichern. Außerdem wurde erst kürzlich das "Bond Connect"-Programm gebilligt. Dieses Programm soll ausländischen Investoren ermöglichen, inländische Anleihen über eine Handelsverbindung mit Hongkong zu erwerben.

Öffnung hat oberste Priorität
Den chinesischen Anleihenmarkt für ausländische Investoren zu öffnen, habe für die chinesische Regierung oberste Priorität. Die Öffnung unterstütze auch die Internationalisierung des Renminbis und biete somit eine Alternative zu inländischen Finanzierungen. Die erwarteten Kapitalzuflüsse von langfristig orientierten ausländischen Investoren könnten den Druck durch inländische Kapitalabflüssen ausgleichen.

Trotz der Fortschritte in der Öffnung des Marktes bleiben einige Themen auf der Tagesordnung, die die Aufnahme Chinas in die globalen Anleihenindizes verhindern. "Insbesondere operative Hürden bleiben bestehen. Zum einen benötigen Investoren eine lokale Depotbank in China, zum anderen erweist sich der Registrierungsprozess als langwierig und mühsam", erklärt Rodilosso. Auch der Zugang zu inländischen Absicherungsinstrumenten sollte ausgebaut werden. Ein weiteres Problem ergebe sich aus den für ausländische Investoren unklaren Steuerregeln.

Erzielte Fortschritte dürfen nicht zurückgedreht werden 
Investoren und Indexanbieter benötigten vor allem eine Garantie, dass die Fortschritte, die gerade in den vergangenen zwei Jahren erzielt worden sind, keinen Rückschlag erleiden. Besonders in einem angespannten Marktumfeld bestehe die Angst vor Kapitalkontrollen.

Die Aufnahme in die globalen Indizes scheint unvermeidlich zu sein. Der erwartete Inflow von Schwellenländerfonds und globalen Anleihenfonds werde sich laut Rodilosso vermutlich zwischen 150 und 300 Milliarden US-Dollar bewegen. "Mit Blick auf Emerging-Market-Indizes könnte die vermehrte Aufnahme von chinesischen Anleihen zu Lasten kleinerer Emittenten wie Polen, Indonesien und Südafrika gehen", sagt der Experte. (aa)