Im laufenden Jahr dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen in der Eurozone nicht mehranheben. Auch im kommenden Jahr sollten Anleger nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten noch nicht mit einer Zinswende in Euroland rechnen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat bei Volkswirten und Vermögensverwaltern nachgefragt. Der Konsens: Die Zinsen bleiben wohl noch mehrere Jahre auf ihrem aktuellen Tief.

Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank, rechnet beispielsweise frühestens im Jahr 2023 mit einer Zinswende. Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, sieht das ähnlich: Er geht erst für die zweite Hälfte der 2020er Jahre von spürbar höheren Zinsen aus. "Die niedrigen Zinsen bleiben uns noch eine Weile erhalten", pflichtet Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), ihren Kollegen bei. Und nach Einschätzung von Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding wird es noch mindestens fünf Jahre dauern, bis der Leitzins in der Eurozone wieder die Ein-Prozent-Marke überschreitet.

Notenbank übertüncht Schuldenprobleme
Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass die Nullzinspolitik der EZB nicht von Dauer sein kann. Das heißt indes nicht, dass die Zinsen irgendwann wieder ihr früheres Niveau erreichen. Anleger sollten sich vielmehr darauf einstellen, dass die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben, sagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Die alternde Gesellschaft spricht seiner Meinung nach für anhaltend niedrige Kapitalmarktzinsen. Darüber hinaus ist im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung die Inflation in den meisten Länder gesunken. Auch das spricht gegen Zinsanhebungen.

Und: Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone ist noch immer nicht gelöst, was man derzeit besonders gut am Beispiel von Italien sieht. "Diese ungelösten Probleme übertüncht die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik", sagt Krämer. (fp)