Die SNB setzt ihre Eurokäufe fort, um den Franken zu schwächen. Doch die eidgenössische Währung bleibt attraktiv, meint Thorsten Polleit: "Der Franken hat Aufwertungspozential. Seit etwa acht Jahren versucht die SNB, den Außenwert des Franken gegenüber dem Euro zu schwächen. Dazu kauft sie Fremdwährungen gegen Ausgabe neuer Franken. Die Bilanzsumme der SNB ist dadurch von 127 auf nunmehr 725 Milliarden Franken oder 107 Prozent des Schweizer BIP angeschwollen", erklärt der Chefökonom des Goldhändlers Degussa. Zum Vergleich: Ende 2007 waren es erst vergleichsweise bescheidene 50,6 Milliarden Franken gewesen. Davon werden derzeit 44 Prozent in Euro und 33 Prozent in US-Dollar gehalten, der Rest in japanischen Yen, britischen Pfund und kanadischen Dollar und einigen kleineren Währungen.

Durch die Euro-Käufe habe die SNB die Geldmenge im Bankensystem seither von etwa 9 Milliarden auf knapp 500 Milliarden Franken erhöht, so der Ökonom weiter. "Einhergehend mit den Niedrigzinsen hat das natürlich dazu beigetragen, dass der Schweizer Bankensektor wieder stark angewachsen ist. Ende 2016 betrug seine Bilanzsumme knapp 500 Prozent des Schweizer BIPs. Vom Abbau der übermäßig großen Schweizer Bankenbilanz – sie hatte einen Rekordwert von 631 Prozent im zweiten Quartal 2007 erreicht, bevor die Schrumpfung durch die Finanz- und Wirtschaftskrise auf 435 Prozent im zweiten Quartal 2011 – ist also nichts mehr zu sehen."

Mit den Fremdwährungskäufen blähe die SNB zwar nur die Liquidität im Schweizer Bankensektor auf. Man könnte daher geneigt sein zu glauben, dass davon keine Gefahr ausgehe, zumal die Liquidität ja auch wieder abgesaugt werden könne. Doch so einfach ist es nicht, meint Polleit: "Die hohe Liquidität im Bankensektor, verbunden mit den extremen Niedrigzinsen, verleitet die Banken dazu, schlechte Kreditrisiken aufzubauen: Kredite, die die Schuldner bei einem Ansteigen der Zinsen dann nicht mehr vollständig bedienen können. Abschreibungsverluste sind die Folge, möglicherweise verbunden mit weiteren Schäden im Wirtschaftsablauf."

Geordneter Rückzug der SNB ist machbar und auch notwendig
Ein "Absaugen“ der zuvor verabreichten Liquidität setzt voraus, dass der Franken gegenüber dem Euro beginnt, unter Abwertungsdruck zu geraten. Dann wäre es der SNB möglich, die zuvor gekauften Euro gegen Franken "geräuschlos“ zu verkaufen. Die Währungsreserven würden abgebaut werden, gleichzeitig würde die Liquidität im Bankensektor schrumpfen.

"Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage, in der viele Euroländer stecken, verbunden mit den politischen Zentrifugalkräften im Euroraum, erscheint eine systematische Aufwertung des Euro gegenüber dem Franken in den kommenden Jahren doch eher unrealistisch zu sein. Mit den Euro-Positionen, die die SNB in ihrer Bilanz angesammelt hat, sind daher vor allem zwei Risiken verbunden. Das eine ist, dass die Kaufkraft des Euros durch die Geldpolitik der EZB herabgesetzt wird: Dass immer mehr Euros ausgegeben werden, damit strauchelnde Euro-Staaten und Banken in Euroland zahlungsfähig gehalten werden. Das andere Risiko ist, dass der Euroraum auseinanderbricht und Wertpapiere und Bankguthaben in nationale Währungen umgestellt werden", meint Polleit. In beiden Fällen drohten Eurohaltern mitunter hohe Verluste.

Angesichts dieser Szenarien böte es sich für die Schweizer an, folgende Schritte zu überdenken, um Schäden von sich fernzuhalten. Erstens: Die SNB baut die Euro-Guthaben ab und erwirbt stattdessen reales Vermögen in Form von Aktien und Immobilien im Ausland. Zweitens: Die SNB hört auf, den Außenwert des Franken durch Fremdwährungskäufe beeinflussen zu wollen, stellt also ihre Devisenkäufe ein. Drittens: Die SNB entzieht dem Bankensektor die Liquidität, indem sie eigene Schuldpapiere ausgibt. Dadurch baut sie das inflationäre Potential ab. Vor allem aber, viertens, beendet die SNB die Politik des Negativzinses. Denn dadurch fügt sie der Schweizer Volkswirtschaft besonders großen Schaden zu, vor allem in Form von Kapitalfehllenkung.

Davon ist Polleit überzeugt. "Den Außenwert des Franken an die Geschicke des Euro zu binden, raubt der Schweiz nicht nur ihre Währungssouveränität. Sie läuft auch Gefahr, den Franken und damit die Schweizer Volkswirtschaft nachhaltig zu schädigen – denn die Zeichen stehen schlecht, dass der Euro eine dauerhaft verlässliche Währung sein wird. Vor dieser Einschätzung sollten die Schweizer, die ihren Wohlstand vor allem auch ihren bisher immer noch recht geordneten Währungsverhältnissen verdanken, die Augen nicht verschließen."

Franken für Euro-Investoren attraktiv
Aus Euro-Investorensicht gebe es vor allem zwei Gründe, die den Schweizer Franken attraktiv gegenüber dem Euro machen. Erstens: Die Schweizer Realzinsen seien seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise im Durchschnitt höher als die im Euroraum gewesen. Das reflektiere die Bereitschaft der EZB, die Schuldenproblematik mit einer höheren Geldentwertung zu "bekämpfen“, die größer als die der SNB sei.

Angesichts der Historie des Schweizer Franken bestehe die begründete Vermutung, dass die SNB auch künftig die Kaufkraft des Schweizer Franken nicht übermäßig ruinieren werde. Zweitens: Der Schweizer Franken unterliege nicht in dem Maße dem Risiko, dass die einzelnen Kantone aus dem Franken ausscheiden, wie dies beim Euro der Fall sei.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Einheitswährung auseinanderfällt, sei dennoch gegeben, mahnt Polleit. In solch einem Fall bestünde die Gefahr für Halter von Euro-Guthaben und -Schuldpapieren, Verluste zu erleiden. Das könne beispielsweise dadurch passieren, dass in Euro denominierte Zahlungsversprechen in nationale Währung umgewandelt würden, und diese "neue Währungen“ abwerteten.

Aus Sicht des Euro-Anlegers sei der Schweizer Franken durchaus eine Alternative, wenn es gelte, seine liquiden Mittel zu diversifizieren beziehungsweise vor Verlusten, die im bei Euroanlagen drohten, zu schützen. Angesichts der fortgesetzten Devisenmarkt-Interventionen der SNB bestehe zudem die gute Chance, dass der Franken-Außenwert noch Aufwertungspotenzial gegenüber dem Euro habe, meint Polleit abschließend. (kb)