Vor allem value-orientierte Fondsmanager ziehen oft Parallelen vom aktuellen KI-Hype zur Dotcom-Blase der Nullerjahre. Lei Qiu, Portfoliomanagerin für Technologiewerte bei Alliance Bernstein, hält das für einen Vergleich von Äpfel mit Birnen: Der Technologieboom werde durch echte Effizienzgewinne angetrieben – den Vergleich mit der Dotcom-Blase hält sie für verfehlt.

Substanz versus Spekulation
Bei der Internetblase zeigte sich rasch, dass viele internetbasierte Geschäftsmodelle noch nicht ausgereift waren. Die Bewertungen der Dotcom-Aktien überstiegen deren Fundamentaldaten. Die Folge: "Schließlich waren sehr viele Start-ups überbewertet, das Kapital versiegte und die Blase platzte." Heute fühlen sich manche Analysten etwa beim Aufbau von KI-Server-Kapazität an die Blütezeit der Dotcoms erinnert. Doch damit enden die Ähnlichkeiten nach Meinung der Expertin auch: Denn im Gegensatz zu vielen Unternehmen der Dotcom-Ära sind die Mega-Caps, die hinter dem aktuellen Ausbau der Cloud-Infrastruktur stehen, bereits profitabel. Sie sagt: "Mit Cloud-Infrastruktur werden beträchtliche Umsätze erzielt, von Cloud-Anwendungs- und Infrastruktursoftware bis hin zu Werbung in sozialen Medien."

Enormer Produktivitätssprung möglich
Der aktuelle Ausgabenboom konzentriere sich auf den Aufbau der nächsten Ebene der digitalen Infrastruktur. Diese Recheninfrastruktur unterstütze sowohl künstliche Intelligenz als auch Nicht-KI-Arbeitslasten – von Empfehlungen für Social-Media-Inhalte über probabilistisches Targeting bis hin zu Simulationen für die Medikamentenentwicklung. Daher hält Lei Qiu die Chance auf einen enormen Produktivitätssprung für gegeben. Sie sagt: "Wir befinden uns in einem Wandel, der Anfang der 1990er Jahre begann – eine Reise, die uns vom Schmalband über das Breitband zum Mobilfunk und nun zur generativen künstlichen Intelligenz geführt hat." Anstatt diese Phase der technologischen Entwicklung mit der Dotcom-Blase zu vergleichen, hält sie es für sinnvoller, sie als eine Erweiterung des Web 3.0 zu betrachten – ein wesentlich effizienteres, dezentralisiertes Internet, das durch Peer-to-Peer-Netzwerke verbunden ist und durch maschinelles Lernen angetrieben wird.

Ein gutes Maß der Marktübertreibungen sei bereits im Jahr 2022 abgebaut worden, als Technologieaktien stark fielen, so Lei Qiu. Sie sagt: "Obwohl sich die Technologieaktien von diesem Schock teilweise erholt haben, glauben wir nicht, dass sie so überbewertet sind, wie einige Anleger denken – und sie sind sicherlich nicht auf dem Niveau, das sie in der Dotcom-Ära erreicht hatten." (jh)