Obwohl der US-Wahlkampf durch den Rückzug Joe Bidens an Dynamik gewonnen hat, bleibt ein zentrales Thema weitgehend unbeachtet: die enorm hohe US-Verschuldung. Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, warnt vor den möglichen langfristigen Folgen. Laut dem Congressional Budget Office könnte die US-Verschuldung bis 2034 auf 122 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigen. Sollte die Regierung die während der Trump-Ära eingeführten Steuergeschenke verlängern, könnte die Schuldenquote sogar auf 133 Prozent des BIP klettern.

"Argentinischer Sturzflug" oder "Japanisches Koma"
Galler betont, dass die Märkte bisher kaum auf diese alarmierende Entwicklung reagieren. Während der S&P 500 immer neue Höchststände erreicht, bleibe die langfristige Gefahr steigender Schulden weitgehend unberücksichtigt. Die aktuelle Ruhe auf den Märkten könnte seiner Meinung nach jedoch trügerisch sein. Sollten keine einschneidenden fiskalpolitischen Maßnahmen wie Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen ergriffen werden, sieht Galler die USA vor einer schwierigen Wahl: Es drohe entweder ein "argentinischer Sturzflug" mit hoher Inflation oder ein "japanisches Koma" mit niedrigem Wachstum und geringen Zinsen.

Im ersten Szenario könnte die Regierung durch hohe Inflation versuchen, die Schuldenlast zu reduzieren, was jedoch die Zinssätze in die Höhe treiben und die Wirtschaft destabilisieren würde. Im zweiten Szenario könnte das Wachstum so stark gedrosselt werden, dass Inflation und Zinsen dauerhaft niedrig bleiben – mit ebenfalls negativen Folgen für die Wirtschaft.

Gleichgültigkeit könnte böses Erwachen zur Folge haben
Diese Risiken werden laut Galler weder von den Politikern noch von den Wählern ausreichend wahrgenommen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass nur fünf Prozent der Wähler die Staatsverschuldung als zentrales Thema sehen. Diese Gleichgültigkeit könnte jedoch ein böses Erwachen zur Folge haben, sobald die steigenden Schulden die Finanzierungskosten und damit die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen. Ein langfristig höheres Zinsniveau in den USA könnte den Dollar weiter aufwerten und negative Auswirkungen auf Schwellenländer haben. Angesichts dieser globalen Risiken sollten Investoren die Entwicklungen genau im Auge behalten, mahnt er. (mb)