Der sich verschärfende Großmachtwettbewerb zwischen den USA und China hat die Ära der weltumspannenden wirtschaftlichen Kooperation beendet. Investoren müssen die Geopolitik wieder stärker in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Fondsgesellschaft Union Investment.

"An die Stelle der ökonomischen Effizienz tritt mehr und mehr das Sicherheitsdenken, und staatliche Interessen stehen über Unternehmensinteressen", sagt Studienautorin Sandra Ebner, Volkswirtin bei Union Investment. Weltweit müssten sich sowohl Staaten als auch Unternehmen in diesem Konflikt positionieren. Abhängigkeiten werden auf den Prüfstand gestellt und Maßnahmen zur Sicherung des eigenen Wohlstands ergriffen, heißt es in der Studie. 

Das hat weitreichende Folgen: "Investoren müssen zum einen die Geopolitik, zum anderen staatliche Instrumente wie Industriepolitik, Exportbeschränkungen und Investitionskontrollen viel stärker im Blick haben. Denn Änderungen dieser Rahmenbedingungen können Geschäftsmodelle massiv beeinflussen", erklärt Michael Herzum, Co-Studienautor und Leiter Makro & Strategie bei Union Investment. Seine Empfehlung für Investoren: "Wer den Großmachtwettbewerb als Faktor in seinem Chancen- und Risikomanagement verankert, kann mögliche Gewinner und Verlierer schneller identifizieren und dies im Portfolio entsprechend umsetzen."

Taiwan ist die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells
Ein zentraler Punkt des neuen Großmachtwettbewerbs ist die Taiwan-Frage, wo territoriale Ansprüche Chinas auf wirtschaftliche und sicherheitsstrategische Interessen der westlichen Welt prallen. Denn aus Taiwan kommen heute neun von zehn High-Tech-Chips, die global Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und autonomes Fahren antreiben. "Taiwan ist die Achillesferse des westlichen Wachstumsmodells", so die Studienautoren.

Eine weitere Erkenntnis der Analyse: Die USA gewinnen als Investitionsstandort an Attraktivität. Die von staatlicher Seite aufgelegten enormen Investitionsprogramme setzen die richtigen Anreize und ziehen damit auch ausländische Direktinvestoren an, gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie der Halbleiter- und Batterieproduktion. Für Investitionen in China steigen die Risiken hingegen deutlich. Das trifft insbesondere die im Reich der Mitte weiterhin stark engagierten deutschen Autobauer. "Deutschland gehört aktuell neben China zu den klaren Verlierern des Großmachtwettbewerbs", so Herzum.

Den indopazifischen Raum sehen die Autoren hingegen als weiteren klaren Gewinner. Die Region sei im Bereich der Zukunftstechnologien deutlich besser aufgestellt als Europa und profitiere gleichzeitig von der Nachbarschaft zu China. Viele Unternehmen wappnen sich demnach, indem sie außerhalb Chinas eine weitere Produktionsbasis in der Region aufbauen.

Was bedeutet das für Investoren? "In einem globalen Aktienportfolio würden wir den China-Anteil deutlich senken und dafür die Allokation in asiatischen Schwellenländern sowie Japan, Australien und Neuseeland erhöhen. Aus dem Euroraum würden wir teilweise in europäische Länder außerhalb des Währungsraums umschichten", erklärt Herzum. (jh)