Der Goldpreis hat sei Jahresbeginn einen rasanten Kursanstieg hingelegt. Den Zuwachs um mehr als 17 Prozent bezeichnet Nadège Dufossé, globale Leiterin Multi-Asset beim Investmenthaus Candriam, als "historisch". Denn der Anstieg stehe "in völligem Widerspruch zur historisch beobachteten Beziehung zwischen Gold und den anderen Anlageklassen", so Dufossé. "Gleichzeitig mit dem Goldpreis stiegen auch die Realzinsen, der US-Dollar erstarkte und risikoreiche Anlagen setzten seit Beginn des Jahres ihren Höhenflug fort", erläutert die Marktkennerin.

In der Vergangenheit entwickelte sich der Goldpreis meist gegenläufig zu den US-Realzinsen. Der Besitzt von Gold verteuert sich, je höher die Realzinsen ausfallen. "Denn das Metall erzielt als Sachwert keine Rendite", erläutert die Analystin. Zudem dämpfe ein starker US-Dollar gewöhnlich den Goldpreis, schließlich werde das Edelmetall für nicht-amerikanische Anleger teurer. Doch auch der Dollar-Anstieg konnte den Gold-Höhenflug nicht beenden.

Ein großer Käufer
Zuletzt gilt das Edelmetall als Hort der Sicherheit. Zwar haben geopolitische Risiken zugenommen. Doch dies schlägt sich nicht in höheren Schwankungen an den Börsen nieder. "Die Volatilität an den US-Aktienmärkten ist wieder auf einen Tiefstand gesunken und die Risikoaufschläge haben sich drastisch verengt", betont Dufossé. Auch Investments in Form von Goldbarren und -münzen sowie ETFs, die am Höhepunkt der Corona-Pandemie im Jahr 2020 massiv angestiegen waren, seien seitdem stark gefallen.

Die Candriam-Expertin führt den jüngsten Höhenflug des Edelmetalls vielmehr auf die Goldkäufe der Notenbanken zurück – allen voran der Zentralbank Chinas. Die weltweite Goldnachfrage der Zentralbanken habe sich seit 2022 verdoppelt. Sie stieg von elf Prozent der gesamten Nachfrage im Jahr 2021 auf 23 Prozent im Jahr 2023 an. "Diese strukturelle Entwicklung wird sich voraussichtlich fortsetzen", meint Dufossé. So plane fast jede vierte Notenbank ihre Goldreserven in den nächsten zwölf Monaten zu erhöhen.

Reserven streuen
"Das Bestreben, die Zentralbankreserven zu diversifizieren, beschleunigte sich nach Covid und dem Beginn des Krieges in der Ukraine", erläutert die Strategin. Diese strukturellen Faktoren, die insbesondere in den Schwellenländern zu verstärkten Käufen durch die Zentralbanken geführt haben, würden bestehen bleiben. "Die geopolitischen Risiken bleiben unverändert und das US-Defizit wird sich ebenfalls nicht verringern", erläutert die Analystin. Doch die Nachfrage der Notenbanken und Finanzinvestoren allgemein könne Schwankungen unterliegen, mahnt die Expertin.

"Wir rechnen mit einem makroökonomischen Umfeld, das den Goldpreis etwas stärker begünstigen dürfte", sagt die Multi-Asset-Strategin. Die Realzinsen dürften stabil bleiben oder angesichts der Konjunkturabschwächung und der ersten Zinssenkungen der Federal Reserve sogar leicht fallen, was den Goldpreis weiter stützen dürfte. "Der umgekehrte Fall – falls die Inflation wieder steigen sollte – ist für Gold ebenfalls günstig, da es als Realwert vor übermäßiger Inflation schützt", meint Dufossé. (ert)