Die Coronakrise ist weder mit der verheerenden Finanzkrise 2008 noch mit anderen massiven Wirtschaftseinbrüchen in den vergangenen Jahrzehnten zu vergleichen, sagt Starökonom Kenneth Rogoff. Diese betrafen jeweils nur einzelne Regionen besonders stark. Schwellenländer beispielsweise waren vom Lehman-Kollaps kaum betroffen. Das Coronavirus dagegen beeinträchtigt die Wirtschaft rund um den Globus. "Wir erleben die erste wirklich globale Krise seit der Großen Depression 1929", sagt der Harvard-Professor und Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gespräch mit dem Magazin "Capital". "Eines sollte uns allen klar sein: Es wird eine tiefe Rezession geben."

Die Corona-Pandemie belastet sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite. "Alles mischt sich zusammen: Lieferketten sind gestört, Restaurants, Sportstätte, Theater und Schulen schließen. So etwas haben wir noch nie erlebt", sagt Rogoff. Er warnt davor, dass diese Krise sehr lange dauern könnte – und fordert die Regierungen dazu auf, rasch und entschlossen zu handeln, um das Schlimmste zu verhindern.

Billionen für Unternehmen und Privatleute
Die jüngste Zinssenkung in den USA hält der Ökonom für einen vernünftigen ersten Schritt. Auf mittlere Sicht werden die großen Notenbanken aber alle die Zinsen in den negativen Bereich drücken müssen, ist er überzeugt. Daneben sieht Rogoff vor allem die Politik gefordert. "Wir brauchen massive Ausgaben, sonst wird das enden wie 1929", warnt er im "Capital"-Interview. "Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der gesunde Teil der Wirtschaft geschützt wird und nicht dauerhaft Schaden nimmt."

Rogoff fordert von den Regierungen in Europa und in den USA, "ohne mit der Wimper zu zucken", jeweils mindestens eine Billion US-Dollar in die Wirtschaft zu pumpen. Dieser fiskalische Stimulus sollte zuvorderst in den Gesundheitssektor fließen. "Unsere Gesellschaft ist auf Millionen Tote nicht vorbereitet", sagt der Ökonom. Zweitens sollte die Politik Branchen schützen, die von der Krise besonders betroffen sind, etwa das Gaststättengewerbe, die Hotellerie und die Fluggesellschaften. "Und drittens sollten wir Menschen mit geringen Einkommen unterstützen", so der Wirtschaftsexperte.

"Helikoptergeld" nicht länger tabu
Der Starökonom spricht sich dafür aus, nicht nur Unternehmen, sondern auch Privathaushalten finanziell unter die Arme zu greifen. "Es ist sinnvoll, den Menschen einfach Schecks auszustellen", sagt er. "Die Leute werden Geld brauchen, und man sollte es ihnen geben." Das würde die Staaten zwar teuer zu stehen kommen, und das zu einer Zeit, in der die meisten von ihnen ohnehin schon hoch verschuldet sind. In einer Krise wie der jetzigen sind Schulden aber nachrangig, sagt Rogoff. So könne etwa Deutschland seinen Schuldenstand ohne Probleme verdoppeln: "Das wäre nicht das Ende der Welt." (fp)