Die Starinvestorin Cathie Wood von Ark Invest hält die Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed in dem erfolgten Ausmaß für einen Fehler. "Die Fed hielt das Finanzsystem ein Jahr lang in Schockstarre", meint Wood, die in den USA für ihre aktiv gelenkten, börsengehandelten Fonds (ETFs) bekannt wurde. "Dies stoppte den Preisschock, der durch Lieferengpässe und Rohstoffpreise infolge der Covid-Maßnahmen und des Ukraine-Krieges ausgelöst wurde." Die Inflation sei erfolgreich zurückgegangen.

Doch die restriktive Geldpolitik der Fed habe zu deflationären Tendenzen geführt, "wie wir sie seit der großen Finanzkrise 2008 nicht mehr gesehen haben", führt Wood in einem Marktkommentar aus. Heute notiere der Bloomberg-Rohstoffindex auf einem ähnlichen Niveau wie Anfang der 1980er Jahre. "Das deutet darauf hin, dass die Inflationsängste der Fed übertrieben sind", meint Wood. "Vielmehr ist das Problem heute eher Deflation, ein allgemeiner Preisverfall."

Am Rande einer Rezession
Das habe Folgen für die Unternehmen. Nachdem sie während der Engpässe bei den Lieferketten in den Jahren 2021 und 2022 ihre Gewinne durch höhere Preise steigerten, verlieren sie allmählich ihre Preissetzungsmacht. Das wirke sich negativ auf die Gewinnmargen aus, meint Wood. "Die US-Unternehmen stoßen an ihre Grenzen", folgert die Ark-Chefin. Das US-Haus hatte jüngst den Anbieter Rize ETF übernommen und war damit nach Europa vorgedrungen.

Entgegen der an der Wall Street vorherrschenden These von der "sanften Landung" seien die Umsätze vieler globaler Marktführer im vierten Quartal im Jahresvergleich tatsächlich gesunken. "Mit anderen Worten: Europa, das Vereinigte Königreich, Japan und China befinden sich bereits in oder am Rande einer Rezession", konstatiert die Managerin. Sowohl in den USA als auch im Rest der Welt ist "ein Großteil des Schadens bereits angerichtet worden", warnt Wood.

Allein auf weiter Flur
Der Verlust der Preissetzungsmacht könne aber die Dringlichkeit des Einsatzes innovativer Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) verstärken. "ChatGPT hat die Fantasie von Verbrauchern, Unternehmen und Finanzmärkten beflügelt", sagt Wood. Die Unternehmen, die wegen der globalen Entwicklungen unter Druck geraten sind, würden in der KI eine Chance sehen, die Rückschläge der letzten Jahre auszugleichen. "Sobald die Wirtschaftskrise überwunden ist, dürfte die KI weiter an Fahrt gewinnen und andere Technologien wie Robotik, Energiespeicherung oder Blockchain mit sich ziehen", ist Wood überzeugt.

Dies werde zu einem Wachstumsschub führen, so die Technologie-Investorin. "Im Ergebnis wird sich das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wahrscheinlich nicht von durchschnittlich drei Prozent im vergangenen Jahrhundert auf die Konsenserwartung von 2,6 Prozent verlangsamen, sondern auf sechs bis acht Prozent und mehr beschleunigen – eine Erwartung, die wir in keiner anderen Wirtschaftsprognose gefunden haben." (ert)