Die meisten Anleger wollten im vergangenen Jahr Ölaktien nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. "Sie waren unbeliebt, unterbewertet und untergewichtet", sagt Simon Westendorf, Portfoliomanager bei der Investmentboutique Starcapital. Grund genug für ihn und seine Kollegen, kräftig zuzugreifen: Mit einem ihrer Multi-Asset-Fonds haben die Starcapital-Portfoliomanager zuletzt so viele Öl- und andere Energieaktien gekauft, dass sich deren Gewichtung im Portfolio sage und schreibe verfünffacht hat. Die Quote an Energieaktien in dem Fonds stieg bis Ende November 2020 von 2,9 auf satte 14,6 Prozent.

Der Einstiegszeitpunkt war gut gewählt. "Die Werte sind teilweise um 40 bis 50 Prozent gestiegen", sagt Westendorf. Zum Beispiel die Aktie des spanischen Erdölkonzerns Repsol: Sie hat seit dem Zukauf um 50 Prozent an Wert zugelegt. Immer mehr Investmenthäuser raten nun bei Energieaktien, insbesondere Öl-Titeln, zum Kauf, darunter etwa Goldman Sachs. "Innerhalb kürzester Zeit ist viel Geld in die vormals unbeliebten Aktien geflossen", stellt Westendorf fest. Die Folge: "Der Sektor ist kurzfristig heißgelaufen."

Zeit, Gewinne mitzunehmen
Öl- und Strom-Aktien sind nach Einschätzung des Anlageexperten zwar immer noch unterbewertet, mittlerweile aber alles andere als unbeliebt. Für die Antizykliker von Starcapital heißt das, dass es Zeit ist, teilweise auszusteigen und bei besonders gut gelaufenen Titeln Gewinne mitzunehmen. Wo als nächstes Chancen für Anlage-Querdenker warten, ist laut Westendorf noch nicht klar. "Auch wenn wir als Antizykliker verkaufen, wenn andere noch einsteigen, bedeutet das nicht, dass wir sofort wieder woanders einsteigen", sagt er. Neue Kaufgelegenheiten ließen oft auf sich warten.

Anleger, die nicht so strikt antizyklisch investieren, können durchaus noch eine Weile in Energieaktien investiert bleiben, schätzt der Portfoliomanager – oder sogar eventuelle Kursrückschläge jetzt noch zum Einstieg nutzen. Energietitel dürften im laufenden Jahr von der Erholung des Ölpreises profitieren und sind nicht zuletzt dank hoher Dividendenrenditen interessant. Auch die Starcapital-Experten sind nicht komplett ausgestiegen. "Es ist zu früh, sich zum jetzigen Zeitpunkt ganz aus Energie- und Rohstoffaktien zu verabschieden", sagt Westendorf. (fp)