"Ich würde mir wünschen, dass die Inflation im Oktober ihren Höchststand erreicht hat, aber ich fürchte, dass ich nicht so weit gehen würde", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Montag (28.11.) vor dem Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments. "Es gibt zu viel Unsicherheit, insbesondere bei einer Komponente, nämlich der Weitergabe der hohen Energiekosten vom Großhandel zum Einzelhandel, um anzunehmen, dass die Inflation tatsächlich ihren Höhepunkt erreicht hat. Es würde mich überraschen."

Während sich das Tempo des Preisanstiegs im November zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren verlangsamt haben dürfte, bleibt die Inflationsrate nach Einschätzung fast aller Ökonomen über zehn Prozent. Der Median von 41 Schätzungen in einer Bloomberg-Umfrage geht von einer Steigerung um 10,4 Prozent aus. Die Zahlen werden am Mittwoch (30.11.) bekanntgegeben – einen Vorgeschmack liefern aktuelle deutsche und spanische Daten.

Einige EZB-Mitglieder wollen Tempo drosseln
Die Anleger halten Ausschau nach Anzeichen dafür, dass die EZB nach den aggressivsten Zinserhöhungen in ihrer Geschichte den Appetit auf weitere Zinsschritte verliert, zumal die Eurozone zusehends in eine Rezession schlittert. Einige Mitglieder des 25-köpfigen EZB-Rats haben sich bereits für ein langsameres Tempo ausgesprochen – vor allem, weil nun auch noch die Rückführung der in den letzten Krisen gekauften Anleihen im Wert von rund fünf Billionen Euro ansteht. Andere sehen jedoch wenig Spielraum für eine Lockerung, solange die Inflation mehr als das Fünffache des Ziels von zwei Prozent beträgt. 

Der Chef der niederländischen Notenbank, Klaas Knot, sagte am Montag, man müsse sich auf eine "langwierige Phase" einstellen, in der die EZB die Inflation wieder auf das Ziel zurückführt. Deutschlands Bundesbankpräsident Joachim Nagel stieß am Montagabend in dasselbe Horn. "Ich werde mich im EZB-Rat weiter für entschlossene Inflationsbekämpfung einsetzen", erklärte er bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU in Waldbronn. "Wir haben auf dem eingeschlagenen Weg ein gutes Stück geschafft – aber eben auch nur ein Stück. Wir dürfen nicht zu früh nachlassen."

Der weitere Weg ist noch nicht klar
"Wie viel weiter wir gehen müssen und wie schnell wir dorthin gelangen müssen, wird von unserem aktualisierten Konjunkturausblick, der Hartnäckigkeit der Schocks, der Reaktion der Löhne und der Inflationserwartungen sowie von unserer Einschätzung der Übertragung unseres geldpolitischen Kurses abhängen", so Lagarde. Das könnte bedeuten, dass die Zinsen ein Niveau erreichen müssen, das das Wirtschaftswachstum einschränkt, sagte sie. (mb/Bloomberg)