Dem New Yorker Online-Portal BuzzFeed News wurden über 2.100 geheime Dokumente zu Geldwäscheverdachtsmeldungen aus dem US-Finanzministerium zugespielt: Es handelt sich um Daten, die US-Banken erstellt und an das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) weitergeleitet haben. Darin zeigt sich, dass in den vergangenen Jahren ungeachtet der ständig schärfer werdenden Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsvorschriften mit Hilfe von Geschäftsbanken Billionen Euro über den Globus verschoben werden konnten. Gern gesehene Zwischenstation war dabei auch Österreich, berichten der ORF und das Nachrichtenmagazin "Profil", die sich an einer internationalen Recherche des Netzwerks International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) beteiligt haben.

Die FinCEN-Daten verfestigen laut ORF und Profil unter anderem bisherige Berichte, wonach die Meinl-Bank und die Raiffeisen Bank International (RBI) als Korrespondenzbanken genutzt wurden. Etwa im Fall des 2019 in die Insolvenz gegangenen brasilianischen Konzerns Odebrecht. Bereits seit längerem ist aus Ermittlungen bekannt, dass die ehemalige Meinl-Bank-Tochter in Antigua Odebrecht-Gelder weitergeleitet hat. Odebrecht hat nach US-Ermittlungen über 785 Millionen Dollar an Schmiergeldern bezahlt, um an Bauaufträge zu kommen. Dafür hatte der Konzern 2011 eigens eine Mehrheit an der Meinl-Karibik-Tochter "Meinl Antigua" erworben, nachdem eine andere Odebrecht-Bank, die dafür genutzt worden war, in Schieflage geriet. "Über Antigua seien dann nicht nur Beamte bestochen worden, sondern 'alle'", zitiert der ORF einen geständigen Odebrecht-Mitarbeiter.

Hintergrund für Konzessionsentzug
ORF und Profil hatten schon 2017 berichtet, dass Meinl Antigua die Wiener Meinl-Bank als Korrespondenzbank nutzte, um Transaktionen abzuwickeln, da die Karibik-Bank keinen Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr hatte. Dieser Verdacht erhärte sich nun angesichts der FinCEN-Files, schreiben die beiden Medien. Auch deshalb dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) Meinl, die heute Anglo Austrian Bank (AAB) heißt, im November 2019 die Bankkonzession entzogen haben. Die Bank wehrte sich zuerst erfolgreich dagegen, aber seit März 2020 ist der Konzessionsentzug fix, die Bank in Abwicklung.

Der frühere Meinl-Bank-CEO Peter Weinzierl weist demnach sämtliche Vorwürfe zurück. Wien habe "keine operative Kontrolle über die Aktivitäten der Meinl Bank Antigua" gehabt, zitieren ihn ORF und Profil. Bei den Transaktionen, die man für die Karibik-Bank abgewickelt habe, sei kein Verdacht aufgekommen. Doch die Meinl-Bank hielt laut EZB-Beschluss bis im Oktober 2015 eine Sperrminorität und sei "effektiv an der Kontrolle über die Meinl-Bank Antigua beteiligt" gewesen, so der ORF.

Auch RBI betroffen
Odebrecht hatte demnach seine Schmiergeldzahlungen über mehrere Offshore-Firmen abgewickelt. Diese hatten Konten bei der Meinl-Bank Antigua, die ihre Zahlungen über mehrere Korrespondenzbanken abwickelte. Über die Meinl-Bank in Wien dürften laut den FinCEN-Files mindestens 64 Millionen Dollar in 134 verdächtigen Transaktionen geflossen sein.

Es zeige sich auch eine Verwicklung der RBI in die Odebrecht-Zahlungen. Zwischen Ende 2013 und 2015 wurden hier mindestens 54 Millionen Dollar in 102 fraglichen Zahlungen gefunden. Diese dürften jedoch nur ein kleiner Teil der Geldflüsse über Meinl Bank Antigua gewesen sein: Ein ehemaliger geständiger Meinl Antigua-Direktor sagte demnach, dass über die Bank 1,6 Milliarden Dollar bewegt worden seien. RBI erklärte gegenüber den Portalen, dass die von den US-Banken gemeldeten Zahlungen auch bei der RBI einen Alarm der Geldwäschesysteme ausgelöst habe. Weitere Zahlungen seien darauf hin unterbunden worden und die Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Kontoinhaber beendet.

804 Transaktionen über österreichische Banken
Odebrecht ist dabei ohnehin nur ein Fall unter mehreren. Insgesamt scheinen laut den Rechercheerkenntnissen in den FinCEN-Files etliche österreichische Banken mit 804 Transaktionen auf, bei denen mehr als einer Milliarde Dollar ihr Ziel oder ihren Ursprung in Österreich hatten. Laut Profil sind bei den als verdächtig eingestuften Transaktionen unter anderem auch UniCredit Bank Austria, Erste Group, Bawag und der Österreich-Ableger der russischen VTB involviert.

Weltweit haben rund 400 Journalisten aus etwa 90 Ländern im Rahmen des weltweiten Netzwerks International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) über eineinhalb Jahre Daten aufgearbeitet. Enthüllt wurden dabei weltweite Finanzströme, die über internationale Großbanken wie HSBC, Deutsche Bank, Barclays und JPMorgan Chase flossen. Freilich bedeute nicht jeder Bericht über verdächtige Aktivitäten tatsächlich eine kriminelle Handlung. Einige würden aber bisher unbekannte Fälle von Korruption und Drogenhandel auf und neue Details zu bekannten Skandalen ans Licht bringen. Etwa wurde eine Verstrickung der Deutschen Bank in Zahlungen der Turkmenischen Regierung in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar zwischen den Jahren 2001 und 2016 gefunden.

Nur ein Bruchteil des wahren Ausmaßes
Die Zahlen rund um den Skandal verdeutlichen einmal mehr das gesellschaftliche Sprengpotenzial, das sich hinter Geldwäsche verbirgt. Allein die 2.100 Verdachtsmeldungen aus dem FinCEN, die zwischen 1999 bis 2017 bewegt wurden, haben laut Profil ein Volumen von etwa "zweitausend Milliarden Dollar – eine 2 mit 12 Nullen – das Fünffache der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung des Jahres 2019", schreibt Profil. Geld, das dem nationalen Sozialsystemen fehlt, weil es an den Steuerbehörden vorbeigeschleust wurde und Geld, das gleichzeitigt kriminelle Systeme aufrechterhält.

Laut Profil haben die Banken dabei geholfen, Delikte wie Betrug, Korruption, Bestechung, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel zu finanzieren. Die in den Dokumenten ersichtlichen Zahlungsflüsse der FinCEN-Daten würden nur 0,02 Prozent aller Verdachtsmeldungen zwischen 2011 und 2017 ausmachen, schreibt der ORF. (eml)