Geraten die Industrieländer wie erwartet in die Rezession, wird sich das auf Schwellenländer weltweit sehr unterschiedlich auswirken, sagt Caleb Coppersmith, Emerging-Markets-Analyst beim Vermögensverwalter DPAM. Er rechnet damit, dass es Osteuropa und Ostasien besonders hart trifft. Auf Lateinamerika blickt er optimistischer.

Lateinamerika gut aufgestellt
Der Grund: Die meisten großen Volkswirtschaften Lateinamerikas sind breit diversifizierte Exportländer, die Rohstoffe nach Asien, Nordamerika und Europa liefern, wie Coppersmith erklärt. Als unsichere Ausnahme nennt der Experte Mexiko, dessen verarbeitendes Gewerbe eng in US-amerikanische Lieferketten eingebunden ist. Insgesamt ist die Region nach seiner Ansicht aber gut gegen einen Abschwung im Westen gerüstet.

Einigen Ländern kommt zudem ihre frühe Zinswende zugute: So hat beispielsweise Brasilien bereits im März 2021 angefangen, die Zinssätze anzuheben. "Dementsprechend haben die meisten Länder inzwischen einen deutlichen Vorsprung gegenüber den USA", sagt der Analyst. Einzig die politisch nicht immer stabilen Verhältnisse könnten die optimistischen Aussichten eintrüben. Mit extremen Entwicklungen rechnet der Analyst hier aber nicht.

Besonderes Risiko für Osteuropa
Osteuropa ist demgegenüber eng mit den Lieferketten des europäischen Kontinents verwoben und daher entsprechend anfällig für eine Rezession. Deutschlands Industriesektor sieht Coppersmith als "größte Schwachstelle Europas gegenüber der aggressiven Instrumentalisierung russischer Energielieferungen", und Deutschland ist das größte Exportziel der meisten osteuropäischen Länder. Im Fall einer Krise hätten viele Länder Osteuropas zudem nur begrenzte geldpolitische Möglichkeiten. Die Nähe zum Russland-Ukraine-Konflikt stelle ein zusätzliches Risiko dar.

In Ostasien sind wiederum einige der exportabhängigsten Länder der Welt angesiedelt. Auch wenn Ausfuhren nach Europa und Nordamerika dort im Durchschnitt nur etwa 30 Prozent ausmachen, rechnet Coppersmith mit schweren Zeiten für die Region. Insgesamt betont er, dass in allen drei Regionen weiterhin jene Länder die schwersten Anzeichen für eine Notlage zeigen, deren Kreditrisiken bereits länger bekannt sind. (fp)