Der Europäischen Zentralbank (EZB) drohen die Voraussetzungen für ihr Hilfsprogramm wegzubrechen. EZB-Präsident Mario Draghi hatte im Sommer 2012 öffentlichkeitswirksam erklärt, alles Notwendige zu tun, um die Eurozone zu stützen. Es folgte ein beispielloses Anleihekaufprogramm. "In der darauffolgenden Euphorie geriet allerdings in Vergessenheit, dass das Programm an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und einen spezifischen Zweck erfüllen soll", sagt Karsten Junius, Chefvolkswirt der Bank J. Safra Sarasin.

Das Anleihekaufprogramm soll ein Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindern. Die EZB will damit Länder stützen, die in der Währungsunion bleiben wollen, aber am Kapitalmarkt nicht über genügend Glaubwürdigkeit verfügen. Seit Start des Programms hat die Lage um 180 Grad gedreht, sagt Junius: Viele Länder gelten nun als kreditwürdig – zeigen aber wenig politischen Willen, die Eurozone zu erhalten. Darüber hinaus ist das Programm an die Vereinbarung eines Strukturanpassungsprogramms gebunden. "Es ist unwahrscheinlich, dass mögliche populistische Regierungen genau dies abschließen wollen", sagt Junius.

Staatsschuldenausfälle könnten neue Realität werden
Auch aus anderen Gründen ist unklar, ob die EZB ihr Anleihekaufprogramm so durchziehen kann wie geplant. Dieses soll nämlich nur noch in ein- bis dreijährige Staatsanleihen investieren, um das Verbot der monetären Staatsfinanzierung nicht zu verletzen – und diese Papiere werden allmählich knapp. "Es scheint, dass das Programm zum zahnlosen Tiger wird", urteilt der Sarasin-Ökonom. "Schlimm ist das nicht unbedingt. Denn gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für eine geordnete Bewältigung eines staatlichen Schuldenausfalls in der Währungsunion deutlich verbessert." Rentenanleger müssen sich aber erst noch an den Gedanken gewöhnen, dass es so weit kommen könnte. (fp)