Ende Februar hat die EU-Kommission angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine Sanktionen erlassen, die strenger ausfielen, als von allen Beobachtern erwartet. Insbesondere, dass sämtliche Transaktionen mit der russischen Zentralbank (CBR) verboten wurden und die CBR-Vermögen in der EU (ungefähr die Hälfte ihrer Reserven) eingefroren wurden, trifft den Staat hart. Es handelt sich um eine Verschärfung von Sanktionen, die schon seit Jahren bestehen und auf die sich auch europäische Finanzdienstleister einstellen müssen.

Bereits 2014 hat die EU-Kommission nach der russischen Annexion der Krim Sanktionen gegen Russland erlassen. In einem Anwendungs-Leitfaden (Link zum Pdf) betonte die Kommission damals ausdrücklich, dass zu den verbotenen Wertpapierdienstleistungen nicht nur der Handel zählt, sondern auch die Anlageberatung zu unerlaubten Finanzinstrumenten. Bisher betraf die Ächtung hauptsächlich Wertpapiere aus dem Bankenumfeld (Sberbank, VTB, Gazprombank, VEB, Rosselkhozbank). Nun hat die Kommission die Sanktionen in drei Verordnungen enorm verschärft 2022/262 vom 23.02.20222022/328 vom 25.02.2022 und 2022/334 vom 28.02.2022).

Wertpapiere mit Staatsbezug tabu
Insbesondere der Artikel 5 und der eingeschobene Artikel 5a sind für Finanzdienstleister wesentlich. Tabu sind damit nun zusätzlich sämtliche Wertpapiere und Geldmarktinstrumente, die nach dem 9. März 2022 "von Russland und seiner Regierung", der Zentralbank oder von Einrichtungen, die auf deren Namen handeln, begeben wurden. Auch Kredite oder Darlehen an solche Institutionen sind weitgehend verboten. Banken dürfen außerdem von russischen Staatsangehörigen (ohne EU-Aufenthaltstitel) und von Unternehmen keine Einlagen über 100.000 entgegennehmen (Gesamtwert pro Kreditinstitut). Gewisse Ausnahmen kann die OeNB genehmigen. Bis zum 22. Mai muss der OeNB eine Liste von Einlegern mit über 100.000 Euro übermittelt werden (ein aktuell gehaltener Überblick zu den Sanktionen ist im Webangebot der WKO-Außenwirtschaft zu finden).

Liste sanktionierter Personen prüfen
Wertpapierfirmen müssten prüfen, ob sie einschlägige Bestände in den Portfolios haben, heißt es beim Fachverband der Finanzdienstleister gegenüber der Redaktion. Auch auf der Beratungsseite seien russische Staatsanleihen oder Aktien staatsnaher Unternehmen nicht erlaubt. Finanzdienstleister müssen außerdem die Liste der 702 russischen Personen und 53 Organisationen prüfen, deren Vermögen eingefroren wurde (Link zur Liste).

Wie viele Personen dieser Liste tatsächlich bei österreichischen Finanzdienstleistern Kunden sind, dazu hat der Fachverband keine Zahlen. Es dürften allerdings wenige sein, schätzen Befragte. Die meisten dieser Personen sind wohl Kunden von (Privat-)Banken. Im Umfeld des Linzer Haftungsdachs WSS sei zum Beispiel gerade einmal eine Person identifiziert worden, sagt Markus Weissörtel, Chef des Finanzunternehmens.

Marktfragen stehen im Vordergrund
Für die Kunden in der eigenen Portfolioverwaltung und für die unter dem Haftungsdach befindlichen Berater stünden momentan die Marktverwerfungen im Vordergrund, so Weissörtel. Organisatorisch würden die aktuellen Sanktionen kaum einen Unterschied zu vorher machen, da das Russland- aber auch generell das Osteuropa-Exposure gering seien.

Stefan Ferstl, Geschäftsführer des Haftungsdaches Privatconsult sieht das ähnlich. Dennoch habe man sofort die angeschlossenen Vermittler informiert, dass generell Produkte mit unmittelbarem Russlandbezug über das Haftungsdach nicht mehr abgeschlossen werden können. Der Schritt reicht damit weiter als die Sanktionen, die gewisse Schwellen und Einflussbereiche vorsehen. Wertpapiere, die sich bereits im Bestand befinden, können bleiben. Russland-Investitionen hätten jedoch einen absolut untergeordneten Rang, betont auch Ferstl.

Kunden nicht in Panik
Kunden würden sich momentan neutral verhalten. "Wir sehen zwar keine große Nachkäufe aber auch keine Panik", so Ferstl. Der Markt habe in den vergangenen Jahren eine gewisse Stressresistenz entwickelt. "Es hat sich in den Köpfen der Anleger verankert, dass Rückschläge eine begrenzte Zeit dauern und danach wieder eine Erholung folgt". Vorsicht klingt jedoch durch. Man befinde sich in einer sensiblen Situation, wo die geopolitische Entwicklung die Märkte jeden Tag erschüttern kann.

Branchen-Kollege Weissörtel betont ebenfalls, dass die Kunden ruhig seien. Man müsse sich aber heuer möglicherweise mit Inflationsraten von zehn Prozent auseinandersetzen, glaubt er. Die einzige Alternative seien derzeit Substanzwerte, insbesondere Aktien von Unternehmen, die in der Lage sind, Preissteigerungen an den Markt weiterzugeben, so wie der traditionell sichere Hafen Gold. (eml)


Service: Eine Überblickseite der EU-Kommission auf Deutsch zu den EU-Sanktionen gegen Russland finden Sie hier: https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-ukraine-crisis/

Liste sanktionierter russischer Personen 2014: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R0269&from=EN

Liste sanktionierter russischer Personen 3. März: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32022D0354&from=DE

Liste sanktionierter russischer Personen 23. März: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2022:042I:FULL&from=DE

Eine konsolidierte Liste sämtlicher in der EU sanktionierter Personen kann hier heruntergeladen werden: Consolidated list