Seit Mitte vergangenen Jahres schauen Anleger deutlich freundlicher auf die Schwellenmärkte als zuvor. Fiskal- und geldpolitische Stimuli vor allem in China haben die Gefahren eines Asien-Crashs eingedämmt. Die Aktienmärkte der Schwellenländer reagieren positiv: Der Aktienindex MSCI Emerging Markets befindet sich klar in einem Bullenmarkt, urteilt Robert Halver, Kapitalmarktanalyst der Baader Bank.

Nach knapp 30-prozentigen Kursgewinnen seit dem Sechs-Jahres-Tief im Januar steigt zwar das Risiko zwischenzeitlicher Kursrücksetzer durch Gewinnmitnahmen. Die deutlich gesunkene Volatilität spricht aber für eine weiterhin geringe Risikoaversion, so Halver.

All das heißt nicht, dass sich die Industriestaaten über die Schwellenländer als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft freuen könnten. Denn die Emerging Markets emanzipieren sich. "Sie werden ihren langjährigen Nachfragesog nach westlichen und deutschen Produkten reduzieren, nicht zuletzt, weil sie selbst als Anbieter im Außenhandel auftreten", sagt Halver. Darüber hinaus sieht es in vielen Ländern nicht ganz so rosig aus, wie Anleger vielleicht glauben. Das zeigt sich etwa in chinesischen Einkaufsmanagerindizes. Sie dokumentieren, dass sich die Konjunktur in China nur auf niedrigem Niveau stabilisiert.

Europa bleibt ein kranker Mann
Immerhin sieht es in den Schwellenländern vielfach deutlich besser aus als in Europa. "Das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt keine Wirkung", kritisiert Halver. "Das Kreditwachstum in der Eurozone bleibt regelrecht erbärmlich. Unter diesen Vorzeichen ist kein nachhaltiger Aufschwung zu erwarten."

Der Kapitalmarktexperte ist überzeugt: Nicht einmal der Aufkauf von Aktien würde eine Wende bringen. "Zu wenig Geldversorgung ist nicht das Problem, sondern zu wenig marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik in den einzelnen Euro-Staaten. Ohne Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wird die private Wirtschaft den europäischen Standort nicht wieder neu entdecken." (fp)