Die Geldflut und die dadurch verursachten Minizinsen sind eine Plage für viele Investoren. Wäre es nicht toll, wenn man auf die Politik der Zentralbank Einfluss nehmen könnte, zum Beispiel über einen Aktienkauf? Was die wenigsten wissen: In einigen Fällen geht das tatsächlich.

So sind die Zentralbanken von Belgien, Griechenland, Japan, der Schweiz und Südafrika an den jeweiligen nationalen Börsen notiert, zumindest zu einem kleinen Teil. Mehrheitseigner ist der Staat. Auf ein Mitspracherecht müssen Aktionäre leider verzichten. Dafür locken einigen Notenbanken mit großzügigen und relativ verlässlichen Dividenden – und manchmal auch mit exorbitanten Kursgewinnen, wie im Fall der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Normalerweise wird ihr Anteilschein an der Zürcher Börse kaum gehandelt – kein Wunder, befindet sich das Gros der Aktien doch in festen Händen. Daten des Finanzinformationsdienstes Bloomberg zufolge hielten Kantone, Kantonalbanken und andere öffentlich-rechtliche Anstalten Ende 2015 immerhin 73,8 Prozent der stimmberechtigten Aktien. Und auch unter den Streubesitz-Aktionären, die die restlichen 26,2 Prozent innehaben, findet sich nur selten jemand, der Stücke auf dem Markt anbietet.

Plötzliche Kursexplosion im Juli
Entsprechend aufsehenerregend ist der aktuelle Kursverlauf der SNB-Titel: Allein seit Anfang Juli hat die "Mauerblümchen"-Aktie satte 80 Prozent auf fast 2.000 Franken zugelegt. Beobachter rätseln über die Hintergründe, denn allein am exzellenten Ruf der Eidgenossen und ihrer vielgelobten Geldpolitik kann es kaum liegen. Gewinnmaximierung ist – anders als bei herkömmlichen AGs – nicht oberstes Ziel der SNB. Dividenden-Ausschüttungen an private Aktionäre sind per Gesetz gedeckelt. Institutionelle Anleger und Aktienanalysten haben die Schweizerische Nationalbank gar nicht auf dem Schirm.

Privatperson als verdeckter Käufer?
Möglicher Kurstreiber könnte ein Deutscher sein, mutmaßen Beobachter. Mit einem SNB-Anteil von 6,6 Prozent größter Einzelaktionär ist Theo Siegert. Der 69-Jährige stammt aus einer Düsseldorfer Handelsdynastie, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Der promovierte Betriebswert arbeitete lange Jahre für den Mischkonzern Haniel und schaffte es dort an die Vorstandsspitze. Seit mehr als einem Jahrzehnt führt er den familieneigenen Vermögensverwalter de Haen-Carstanjen & Söhne und sitzt darüber hinaus in den Aufsichtsräten namhafter deutscher Unternehmen wie Merck, Eon und Deutsche Bank.

Mit dem systematischen Kauf von SNB-Anteilen startete Siegert bereits 2008, berichtet die FAZ. Ob er aktuell massiv weitere Stücke einsammelt und so hinter der unverhofften Kursexplosion steht, war nicht zu ermitteln. Siegert stehe für Interviews nicht zur Verfügung, ließ der öffentlichkeitsscheue Unternehmer auf Anfrage der FAZ mitteilen.

Hausse lockt Interessenten an
Denkbar wäre auch, dass andere Renditesucher die SNB als vielversprechendes Investment entdeckt haben. Alessandro Bee, der für die UBS die Nationalbank und deren Politik beobachtet, vermutet, dass Anleger wegen des Niedrigzinsumfelds auf die Schweizerische Nationalbank gestoßen sind: "Schweizer Anleihen bringen momentan nur noch negative Renditen. Also weichen die Investoren auf Aktien aus, die eine Dividendenrendite versprechen und wenig schwanken", zitiert die FAZ den Analysten.

Die Sache hat nur einen Haken: Gemessen am am jüngsten Kurs liegt die SNB-Dividendenrendite nur noch bei kargen 0,75 Prozent. Eine Ausschüttungsgarantie gibt es nicht. "Wenn das Eigenkapital der SNB aufgrund hoher Verluste aufgebraucht ist, fällt auch die Dividende aus. Allerdings ist dieses negative Szenario inzwischen weniger wahrscheinlich geworden“, sagt Bee. (ps)