Meer, Sandstrand und durchschnittlich 27 Grad Celsius im Jahr: Die Republik Palau, gelegen auf einer Inselgruppe im pazifischen Ozean, bietet all das – und ist daher beliebt bei Touristen, mit denen die 19.000 Einwohner rund die Hälfte des Bruttosozialproduktes erwirtschaften. Oder besser erwirtschafteten, denn wegen Corona bleiben die Besucher aus. Zum Glück hat der Inselstaat eine neue Gruppe entdeckt, mit der er Geld verdienen möchte: die internationale Krypto-Szene, wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet.

Palau bietet seit Kurzem Personen und Unternehmen im Rahmen eines "Online-Residenzprogrammes" einen virtuellen Wohn- und Unternehmenssitz. Der Preis soll rund 150 US-Dollar (131 Euro) im Jahr betragen. Betreten dürfen die Personen die Insel aber nicht, wohl aber über sie ihre digitalen Geschäfte abwickeln. Dafür hat sich die Insel mit dem Blockchain-Unternehmen Cryptic Labs zusammengetan. Es soll sicherstellen, dass digitale Transaktionen fließen können. 

Keine misstrauischen Aufsichtsbehörden
Damit zielt der Mini-Staat wohl in erster Linie auf die Krypto-Szene, die in Digitalwährungen die monetäre Zukunft der Menschheit sieht. Denn Palau hält der SZ zufolge die Zügel bei der Aufsicht von Krypto-Investments lockerer und auch die Steuern niedrig. In den meisten Industriestaaten dagegen sind die Finanzaufseher misstrauisch gegenüber Digitalwährungen und sehen sie als gefährliche Spekulationsobjekte, in denen Bürger ihre Ersparnisse versenken könnten.

Palaus Staatspräsident Surangel Whipps hat den Vorwurf, dass sein Staat nun kein Urlaubs-, sondern ein Steuer- und Briefkastenparadies sei, laut der Zeitung weit von sich gewiesen. "Es haben mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung immer noch keinen Zugang zu grundlegenden Wirtschafts- und Geschäftsaktivitäten", zitiert die SZ Aussagen Whipps, die dieser bei einer Online-Konferenz zur Vorstellung des Residenz-Programmes machte. Einen virtuellen Bürger hat Palau bereits überzeugen können: Tim Draper. Der international tätige Risikokapitalgeber, zu dessen bekanntesten Investitionen Hotmail, Skype, Tesla, SpaceX und Twitter gehören.

Vorbild Estland?
Das Konzept für die virtuellen Mitbewohner scheint sich die Insel von Estland abgeschaut zu haben. Der Baltikstaat hatte mit einem ähnlichen Angebot dafür gesorgt, dass er seit 2014 rund 90.000 digitale Neubürger bekam, die dort auch Unternehmen gründen dürfen – der Steuersatz beträgt attraktive 20 Prozent. Sozialleistungen beanspruchen, dort wohnen oder zur Wahl gehen können die virtuellen Einwohner aber nicht. Allerdings musste Estland 2020 nach einem aufsehenerregenden Geldwäscheskandal zwei Dritteln aller Krypto-Unternehmen im Land die Lizenz wieder entziehen. (jb)