Ende November verlässt die Raiffeisenbankengruppe (RBG) wie berichtet die sektorübergreifende Einlagensicherung Austria (ESA) und wechselt in eine gruppeneigene Entschädigungseinrichtung. Ein Schritt, der nicht selbstverständlich ist für den Sektor, in dem die Autonomie der einzelnen Banken oberstes Prinzip ist. "Wir sind froh, dass es zu so einer breiten Einigung kam. Wir waren positiv überrascht", sagt ein Manager in einem Artikel, der in vollem Umfang in der neuen Printausgabe 3/2021 von FONDS professionell zu lesen ist.

Schmerz und Stolz liegen im Raiffeisenbankensektor eng beieinander, wenn es um das Thema Sicherungssysteme geht. Einerseits trägt die Gruppe ihr enormes Kontroll- und Auffangnetz betont vor sich her: dazu gehören gegenseitige freiwillige Hilfsvereine, sektorale Sicherungen (IPS) und Revisionsverbände. Ein Betrugs- und Pleitefall wie jener der Commerzialbank im Sommer 2020 sei im System Raiffeisen undenkbar, verkündeten Verantwortliche mehrfach öffentlich. Doch auf der anderen Seite hat die Idylle einen Makel. Eine eigene gesethliche Raiffeisen-Einlagensicherung – die man eigentlich haben könnte – gab es in den vergangenen drei Jahren nicht. Ausgerechnet: Denn genau in diesem Zeitraum war die Gruppe Mitglied der allgemeinen Einlagensicherung Austria (ESA) und musste dort den größten Teil der Ex-Meinl-Bank- und der Commerzialbank-Pleite abfangen.

Rückblick
Im Jahr 2019 wurde bedingt durch EU-Vorgaben die bis dahin existierende sektorale Einlagensicherung abgeschafft. Die meisten Kreditinstitute ordneten sich in die Einlagensicherung Austria (ESA) ein. Eine Sonderregelung, die in erster Linie den dezentralen Sektoren (Raiffeisen, Sparkassen, Volksbanken) nutzt, hätte zwar auch den Giebelkreuzlern ein Ausscheren aus der ESA-Beteiligung erlaubt: Gruppen mit einem eigenen institutsbezogenen Sicherungssystem (IPS, Institutional Protection Scheme) können dieses als Einlagensicherung anerkennen lassen. Die zahlreichen eigenständigen Mitglieder der Raiffeisenbankengruppe konnten sich darauf jedoch nicht einigen. Insbesondere die große oberösterreichische Landesbank war gegen eine eigene Sicherung.

Ein IPS ist eine von der Aufsicht genehmigte Risikovorsorge- und Haftungsgemeinschaft, die eingreift, noch bevor es zu einem Einlagensicherungsfall kommt. Von der Möglichkeit der Anerkennung als Einlagensicherung machte bereits bisher die Sparkassen-Erste-Bank-Gruppe Gebrauch: Der Sektor trat nicht der ESA bei, sondern stand selbst für die Einlagen seiner Kunden ein.

Keine Eintracht
Die Raiffeisengruppe verfügte zwar seit 2014 ebenfalls über diverse eigene IPS auf Bundes- und Landesebene, für die Anerkennung als gesetzliche Einlagensicherung haperte es aber bei der nötigen Eintracht. Voraussetzung, damit ein so einen Haftungsverbund auch als Ent­schädigungseinrichtung genehmigt wird, ist unter anderem ein Marktanteil von 15 Prozent bei den Einlagen. Auch sonst ist enge Kooperationsbereitschaft gefragt: Vor allem muss in einem IPS eine gemeinsame Risikobetrachtung vorgenommen werden. Eine solche "Vergemeinschaftung" von Risiken bereitet eingefleischten Genossenschaftern jedoch Unbehagen, da sie ja nach dem Grundsatz "Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung" handeln.

Gleichzeitig verschlingt ein IPS nicht wenig Geld. Die RLB-Niederösterreich-Wien verbucht zum Beispiel im Geschäftsbericht 2020 einen Betrag von 43,5 Millionen Euro an Treuhandforderungen für Bundes- und Landes-IPS.

Wechsel genehmigt
Nach der Pleite von Anglo Austrian Bank und Commerzialbank, wo die große Raiffeisengruppe fast die Hälfte der Entschädigungen stemmen musste, war aber offenbar der Leidensdruck für die einzelnen Genossenschafter aus­reichend, sich zu einigen. Im Mai 2021 stimmten die Behörden zu und genehmigten die eigene sektorale Einlagensicherung und Anlegerentschädigung.

Ganz geschlossen geht der Wechsel, der für November erwartet wird, zwar nicht vonstatten: Vier Banken bleiben in der ESA, heißt es gegenüber der Redaktion, drei aus Kärnten und eine Salzburger Bank. Angesichts der hohen Beteiligungsquote will man dies aber nicht überbe­werten: "Man muss sehen, dass es sich um eigenständige Banken handelt. Es ist natürlich eine verschärfte aufsichtsrechtliche Änderung. Da kann jeder frei entscheiden", heißt es gegenüber der Redaktion.

Die bisher bestehenden institutsbezogenen Sicherungssysteme am Sektor (Bundes-IPS, Landes-IPS) werden aufgelöst und ihre Vermögen auf das neue einheitliche System übertragen. Auch künftig werden aber für IPS und Einlagensicherung zwei gesonderte Töpfe zu befüllen sein. (eml)


Der gesamte Artikel ist in der aktuellen Printausgabe von FONDS professionell 3/2021 erschienen. Er kann auch im E-Magazin gelesen werden.