Für eine mögliche strukturelle Wachstumsschwäche in China gebe es mannigfaltige Gründe, sagt Jürgen Brückner, Portfoliomanager der FV Frankfurter Vermögen. Sie reichten von der schnellen Alterung der chinesischen Bevölkerung, was zu einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung führe, bis hin zu Handelskonflikten, die die Exporte beeinträchtigen. Die hohe Umweltverschmutzung könnte sich zudem langfristig negativ auf das Wachstumspotenzial auswirken. Aber auch wenn jedes der genannten Argumente seine Berechtigung habe, dürfe man nicht übersehen, dass China trotz aller Herausforderungen auch in absehbarer Zukunft höhere Wachstumsraten als die westlichen Nationen aufweisen könnte.

Brückner verweist auf das Wachstumsziel von zirka fünf Prozent für 2023. Die Regierung sei sich bewusst, dass wirtschaftlicher Wohlstand wichtig für den sozialen Zusammenhalt ist. Das werde daran deutlich, dass Präsident Xi Jinping in einem Artikel im "Qiushi Journal", einer Zeitschrift der Kommunistischen Partei, betont habe, wie bedeutend die Ausweitung des privaten Verbrauchs für eine stabile Wirtschaft sei. Der Artikel betone zudem die Notwendigkeit, das Wachstum durch staatliche Investitionen und politische Anreize zu fördern. "China setzt somit weiterhin auf eine starke staatliche Lenkung und Kontrolle der Wirtschaftstätigkeit. Dies wird besonders deutlich an dem bekannten Hukou-System, welches aufgrund der Notwendigkeit einer Registrierung die freie Migration der Wanderarbeiter in die Städte einschränkt", so Brückner.

Genügend Arbeitskräfte, steigende Exporte
Gerade das große verfügbare Potenzial von Arbeitern in den Regionen außerhalb der Städte bedeute auch, dass das Problem der Alterung der Bevölkerung durch kontrollierten Zugang der Landbevölkerung in die urbanen Zentren zumindest in absehbarer Zukunft die Wirtschaftskraft nicht beeinträchtigen werde. Auch der Handelskonflikt sollte in den Hintergrund treten, China werde sich weiterhin bemühen, seine Exporte zu stärken.

Bereits im März hätten sich die Exporte allein für konventionelle Kraftfahrzeuge mehr als verdoppelt. Bei batteriebetriebenen Fahrzeugen habe der Anstieg sogar mehr als 207 Prozent betragen. Setze China seinen Wachstumspfad wie geplant fort, wäre das auch für den Halbleitersektor eine gute Nachricht. "Insgesamt erwarten wir daher für das Weltwirtschaftswachstum aus China positive Impulse, auch wenn gerade der deutsche Automobilsektor mit verschärfter Konkurrenz rechnen muss", so Brückner. (fp)