Starcapital-Gründer Peter E. Huber ist das ewige Gerede über einen baldigen Crash am Aktienmarkt gründlich leid. Vor allem, weil die Untergangspropheten nüchternen Argumenten gegenüber blind sind. Die reicht Huber in der aktuellen Ausgabe seines Kommentars nur allzu gerne nach – und warnt Skeptiker gleich zu Beginn eindringlich: "Die vorliegenden Ausführungen sind ein leidenschaftliches Plädoyer wider das Blasengebabbel und für die langfristige Aktienanlage." (ps)


Seit zwei bis drei Jahren warnen uns zahlreiche Kapitalmarktexperten vor einer kurz bevorstehenden scharfen Börsenkorrektur. Der Aufschwung bei den Aktien dauere bereits seit 2009 an und befände sich in einem sehr reifen Stadium. Die Notenbanken hätten mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die Aktien- und Anleihenmärkte aufgepumpt, und es hätten sich Blasen gebildet. Die Bewertungen seien inzwischen viel zu hoch und die Anleger extrem optimistisch und sorglos.

Gerne wird dabei auf das Shiller-KGV für US-Aktien hingewiesen, das mit aktuell 29 deutlich über dem historischen Durchschnitt von 17 liegt. Als Beweis für die Sorglosigkeit der Investoren muss die niedrige Volatilität herhalten, die sich in einem seit Langem tiefen VIX manifestiert.

Dazu folgende Richtigstellung: Wer sich von dem ständigen Blasengebabbel beeinflussen ließ und nicht ausreichend in Aktien investiert hat, verpasste bereits ansehnliche Gewinne. Eine Börsenkorrektur von 20, 30 Prozent oder mehr ist jederzeit möglich, das gehört zum Wesen der Märkte. Sie kann morgen oder in zehn Jahren eintreten. Den Eintrittszeitpunkt kann man nicht vorhersagen, da er in der Regel von Faktoren ausgelöst wird, die man heute noch nicht erkennen kann. Im Nachhinein ist einem natürlich immer klar erkenntlich, warum bestimmte Ereignisse zwangsläufig zu einem Börseneinbruch führen mussten. Rolf Dobelli, der Schweizer Schriftsteller nennt das den "Rückschaufehler“.

Prognosen über kurz- und mittelfristige Börsenentwicklungen sind daher wertlos. Sie sagen zwar viel über den Prognostiker, aber nichts über die Zukunft aus, wie Warren Buffett zu sagen pflegt. Halten wir uns daher an die Bewertungen, die aus unserer Abbildung ersichtlich werden. 

Danach sind US-Aktien zwar durchaus stolz bewertet, aber in Asien und Europa sind die Kurse keinesfalls überzogen. Das durchschnittliche Kurs/Buchwert-Verhältnis liegt nämlich im historischen Vergleich bei 2,1. Leider taugen Bewertungsfaktoren überhaupt nicht zur kurz- und mittelfristigen Börsenprognose. Auch überbewertete Märkte können weiter haussieren und umgekehrt. Es liegt darüber hinaus im Wesen der Börse, dass Gier und Panik der Anleger die Kurse weit über oder unter die fundamental gerechtfertigten Niveaus treiben können. Langfristig werden dagegen die Fair Values immer wieder touchiert, weshalb man daraus durchaus recht zuverlässige Kursziele berechnen kann.

Sie liegen beim Dax innerhalb der nächsten zehn Jahre übrigens deutlich über 20.000 Punkten. Apropos Dax: Die zahlreichen Skeptiker weisen immer wieder auf das aktuelle Rekordniveau des deutschen Aktienindex hin. Dabei eignet sich dieser Performanceindex überhaupt nicht zur Wertbestimmung, da alle historischen Dividendenzahlungen mit einberechnet werden. Sie berechnen den aktuellen Preis Ihres Hauses ja auch nicht, indem sie auf den derzeitigen Wert noch alle jemals erhaltenen Mietzahlungen draufschlagen. Da ist der Kurs-Dax (ohne Dividendenzahlungen) schon repräsentativer. Und der liegt immer noch unter dem Stand aus dem Jahr 2000 – obwohl die deutschen Unternehmen in den letzten 17 Jahren massiv an Ertragskraft gewonnen haben.

So viel zum Märchen von der Überbewertung. Der Kurs-Dax ist in der Vergangenheit mehrfach an seinem Widerstand bei 6.400 Punkten abgeprallt. Jetzt hat sich charttechnisch eine so genannte Tasse-Henkel-Formation herausgebildet – ein Hinweis darauf, dass in nächster Zeit eventuell ein Ausbruch nach oben bevorstehen könnte. Dies würde ein erhebliches weiteres Aufwärtspotenzial freisetzen. 

Die Ausführungen sind ein leidenschaftliches Plädoyer wider das Blasengebabbel und für die langfristige Aktienanlage. Sie sind keine aktuelle Kaufempfehlung für Aktien. Das hätte man schon vor Jahren machen müssen, als wir immer wieder massiv zum Einstieg getrommelt haben – zum Beispiel Anfang 2009. Aktuell ist der Zeitpunkt nicht unbedingt optimal. Der Grund: Die Einkaufsmanagerindices sind extrem positiv und deuten auf eine deutliche Belebung der Weltwirtschaft hin. Unsere Leser wissen aber, dass man Aktien am preisgünstigsten in einer Rezession kauft, wenn es den Unternehmen schlecht geht und die Zeitungen voll sind mit schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft. Darauf muss man aber wahrscheinlich lange warten.

Trotzdem gibt es auch heute noch genügend preiswerte Aktien, die man kaufen kann. Von den oft zitierten sorglosen oder gar euphorischen Anlegern konnten wir bisher keine entdecken. Vielmehr herrschen eine starke Verunsicherung und ein tiefes Misstrauen gegenüber der Stabilität und Nachhaltigkeit der bestehenden Aufwärtstrends vor. Dazu passen auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock. Danach werden europäische Versicherer trotz rekordtiefer Aktien in ihrem Anlageverhalten noch risikoaverser.