In einem halben Jahrhundert an der Börse hat Peter E. Huber schon vieles erlebt, doch auf 2023 blickt er mit besonderer Spannung. Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE erklärt der Tanus-Trust-Portfoliomanager, warum er deutsche Aktien zurzeit verkauft und lieber auf Asien setzt und warum er die Finger von US-Titeln lässt.


Herr Huber, im vergangenen Jahr haben Sie nahezu alle Konkurrenten weit hinter sich gelassen. Wie haben Sie das geschafft?

Peter E. Huber: Auf der Aktienseite profitierten wir vor allem von der starken Performance der Energie- und Rohstoffwerte. Die drohende Energieknappheit hatte uns schon länger beschäftigt und wir bauten im Lauf der Zeit Positionen auf. Traditionelle Ölkonzerne wie Shell wollte ja aus ESG-Gründen jahrelang kein Investor mehr anfassen. In der Folge haben diese Firmen nicht mehr in den Unterhalt und Ausbau der Öl- und Gasförderung investiert. Deshalb stiegen die Energiepreise bereits ab 2021, und letztes Jahr legten die Öl- und Energieaktien dann natürlich deutlich zu. Einen weiteren großen Performance-Beitrag brachten die Anleihen.

Wie das? Die meisten Anleihen erlitten 2022 deutliche Kursverluste. 

Huber: Wir hatten aufgrund der Notenbankpolitik und der rasanten Neuverschuldung mit einem kräftigen Anstieg der Teuerung gerechnet und unsere Allokation in inflationsindexierte Anleihen deutlich erhöht. Gleichzeitig sicherten wir das Zinsänderungsrisiko dieser Anleihen über den Verkauf von Zinsfutures ab. Mit diesem fast risikofreien Trade haben wir vergangenes Jahr rund 13 Prozent Gewinn eingefahren und das bei einem Portfolioanteil von zehn bis 15 Prozent.  

In den ersten Wochen dieses Jahres sind die Aktienkurse deutlich gestiegen. Schließen Sie sich dem allgemeinen Optimismus an?

Huber: Ich bin inzwischen seit einem halben Jahrhundert an der Börse aktiv, aber mit so viel Spannung habe ich noch keinem Börsenjahr entgegen geblickt. Es gibt sehr viele Unsicherheitsfaktoren, die alle das Potenzial haben, entweder zu entgleisen oder sich zum Besseren zu entwickeln. Deshalb halte ich starke Ausschläge nach oben wie unten für möglich. Sorge bereitet mir etwa die US-Notenbank Fed, die in eine abflauende Konjunktur hinein radikal die Zinsen erhöht und Liquidität aus dem Markt nimmt. Damit hat die Fed nach Jahren der quantitativen Lockerung und extrem niedriger Zinsen schon wieder das nächste Experiment gestartet, das schiefgehen kann. 

Wie stellen Sie Ihr Portfolio auf so viel Unsicherheit ein?

Huber: Als Fondsmanager möchte ich sowohl für positive wie negative Überraschungen gut aufgestellt sein. Unsere Aktienquote haben wir zuletzt auf rund 65 Prozent gesenkt zugunsten von Gold und des Geldmarkts, und mit unseren günstigen Aktien mit oft nur einstelligem Kurs-Gewinn-Verhältnis und Dividendenrenditen von teils fünf Prozent fühle ich mich derzeit wohl. Selbst, wenn diese Unternehmen ihre Gewinne und Dividenden halbieren, ist ihre Dividendenrendite noch immer höher als die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen.

Deutsche Aktien nehmen in Ihrem Portfolio besonders viel Platz ein.

Huber: In Deutschland haben wir bei den Tiefständen im dritten Quartal vergangenen Jahres stark zugekauft, etwa Siemens-Aktien, nachdem ihr Kurs von fast 160 Euro auf unter 100 Euro gefallen war. Seit Jahresanfang verkaufen wir diese Aktien wieder nach und nach zu Preisen von aktuell rund 140 Euro. Ähnliches gilt für BASF. Insgesamt haben wir so unseren Deutschland-Anteil in kurzer Zeit von mehr als 20 auf rund 15 Prozent reduziert. Deutschland verfügt über eine Vielzahl hervorragender und günstig bewerteter Firmen. Ich bin aufgrund der Energiepolitik aber zunehmend skeptisch.

China haben Sie dagegen zuletzt wieder aufgestockt.

Huber: Wir haben recht hohe Anteile in Asien, vor allem in Japan, aber auch in Südkorea und Indonesien. Zuletzt haben wir auch wieder stärker in China investiert, nachdem wir letztes Jahr an einem Punkt angekommen waren, an dem wirklich jeder das Land aufgrund der rigiden und marktfeindlichen Politik für nicht mehr investierbar hielt. Auch wir hatten uns zwischenzeitlich fast ganz zurückgezogen, zum Glück zu recht guten Konditionen, da der Hongkong-Dollar gegenüber dem Euro günstig stand. Ab einem bestimmten Punkt erschienen chinesische Aktien aber so günstig, dass wir wieder anfingen, unsere Positionen etwa in der Online-Plattform Alibaba wieder aufzustocken. Dazu haben wir weitere Aktien wie Tencent gekauft. 

Hat die Abkehr von der Null-Covid-Politik Ihre Einschätzung zu China grundlegend geändert?

Huber: Die Kehrtwende zeigt, dass die Regierung erkannt hat, dass sie bei aller ideologischen Verblendung nicht gegen das Volk regieren kann. Das System funktioniert nur, solange es den Menschen besser geht. Daher glaube ich, dass die Regierung die Überregulierung zurückdrehen wird und das Land sich wieder stärker öffnet. Natürlich bestehen weiterhin geopolitische Risiken. Wir investieren daher vorsichtig in China. 

Gelinde gesagt vorsichtig investieren sie auch in den USA. Da haben Sie nur ganz kleine Bestände.

Huber: Die US-Aktienkurse sind seit der globalen Finanzkrise 2009 weit stärker gestiegen als die Unternehmensgewinne. Dazu betreiben die USA eine nicht nachhaltige Verschuldungspolitik. Die nach meiner Einschätzung verantwortungslose Notenbankpolitik hatte ich schon erwähnt. Ich halte die meisten US-Aktien für überwertet. Zudem sind die Portfolios weltweit immer noch bis obenhin vollgestopft mit teuren FANGMAN-Aktien und wie sie alle heißen. Dazu möchten wir eine Alternative bieten.

Trauen Sie den Aktienmärkten langfristig Potenzial zu?

Huber: Ich halte Aktien für die beste langfristige Kapitalanlage und sehe in manchen Segmenten auch große Chancen. Schauen Sie sich etwa den Euro Stoxx 50 als reines Kurs-Barometer für europäische Aktien an: Im Jahr 2000 stand er bei mehr als 5.000 Punkten, heute notiert er bei etwa 4.100. Das heißt, dass die ganze Performance der letzten zwei Jahrzehnte ausschließlich von den Dividenden stammt. Die Kurse sind sogar deutlich gesunken, obwohl in dieser langen Zeit die Unternehmensgewinne und die Dividenden deutlich gestiegen sind. Hier steckt Kurspotenzial. Aktuell ist die Stimmung gerade in Europa von großer Vorsicht und Skepsis geprägt, aber gerade aus solchen Situationen setzen Aktien auch zu großen Kurssprüngen an. 

Sie sind seit mittlerweile 50 Jahren an der Börse aktiv. Was treibt Sie an?

Huber: Ich bin in der angenehmen Situation, dass ich alle administrativen Aufgaben abgegeben habe. Jetzt stehe ich jeden Morgen auf und mache, was mir am meisten Spaß macht: Und das ist vor allem Aktien zu managen.

Vielen Dank für das Gespräch. (jh)