Aus der momentan schwierigen wirtschaftlichen Lage wird es keinen geradlinigen Ausweg geben. Insbesondere deshalb, weil sich die zur Verfügung stehenden Maßnahmenwerkzeuge aus Sozial-, Fiskal- und Geldpolitik oft zuwiderlaufen. Das machte Gottfried Haber, Vizegouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), am Dienstag bei der Jahreskonferenz der Finanzmarktaufsicht (FMA) deutlich.

Er verwies auf die stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise als Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Es sei wichtig, dass der Staat durch Fiskalpolitik (Steuern und staatliche Zuwendungen) eingreife. Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation sollten aber nur dort abgefedert werden, wo es sozial nötig ist. Denn ein zu starker fiskalpolitischer Impuls erhöhe wiederum die Teuerung, die die EZB ja gerade mit ihrer Geldpolitik (Zinssteigerungen) eindämmen will, betonte Haber. "Hier die Balance zu finden, ist momentan eine große Herausforderung für alle Staaten", sagte der OeNB-Ökonom in seinem Schlussvortrag. 

"Wohlstandsverlust nicht mehr so leicht aufholbar"
"Wir haben eine importierte Inflation. Das heißt, das BIP schrumpft, der Kuchen wird kleiner. Aus den geopolitischen Ereignissen entsteht ein Wohlstandsverlust, der nicht mehr so leicht aufholbar ist wie nach Corona", so Haber. Bei einem rückläufigen Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne man durch fiskale, soziale Maßnahmen eingreifen und die Kaufkraft stützen. "Aber man kann mit diesen Mitteln den Kuchen nicht mehr so groß machen, wie er vorher war", sagte Haber.

Abseits der importierten Teuerung und einer eventuellen staatlich subventionierten (fiskalischen) Inflation sieht Haber noch einen weiteren Faktor: Wesentlich auf die österreichischen Preissteigerungen könnten sich auch die Ergebnisse der Lohnverhandlungsrunden auswirken. Es sei wichtig, dass keine Lohn-Preis-Spirale entstehe, betonte Haber.

Wie es mit der Inflation, die mittlerweile in Österreich auf einen zweistelligen Wert geklettert sein dürfte, weitergeht, hänge jedoch in sehr hohem Ausmaß von den Energiepreisen ab, die direkt nicht steuerbar sind. Immerhin arbeitet hier die EZB mit ihrer restriktiveren Geldpolitik bereits dagegen: "Durch die Zinssteigerungen wertet die Währung tendenziell auf, das macht Importe billiger", erläuterte Haber. Außerdem würden die Notenbankentscheidungen als Signale an den Finanzmarkt auch eine wichtige emotionale Wirkung entfalten. Man müsse jedoch bedenken, dass es bei der Inflationsbekämpfung eine hohe Verzögerungswirkung gebe. Es brauche eineinhalb bis zwei Jahre, bis die Maßnahmen greifen.

"Drei Prozent Inflation bis 2024 möglich"
Die OeNB erwartet, dass es nach den enormen Energiepreissteigerungen zu einem Rückgang kommt, was sich entsprechend erleichternd auf die Teuerung auswirken würde. 2023 sieht Haber ein Abflachen der Inflation auf rund sechs Prozent. Bis 2024 könnte man in Österreich dann beim Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) wieder Werte "in Richtung drei Prozent" sehen. Das wären zwar noch nicht die von den Notenbanken angepeilten zwei Prozent, aber immerhin ein "akzeptabler Wert", so Haber.

Er rechnet mit weiteren Zinsschritten der europäischen Notenbank. "Man sollte die offizielle Kommunikation der EZB ernst nehmen, wonach die Inflation noch nicht dort ist, wo man sie haben möchte. Wir stehen sicher noch in einer Zeit steigender Zinsniveaus", sagte Haber. Hier müsse man alle Vor- und Nachteile mitbedenken: Höhere Zinsen bedeuten, dass sich die klassischen Geschäftsmodelle am für Österreich so wichtigen Bankenmarkt nach der langen Null- beziehungsweise Negativzinsphase wieder normalisieren können. Steigen die Zinsen allerdings sehr rasch, gebe es wiederum Zins- und Bonitätsrisiken. "Auch hier sehen wir also zwei mögliche gegenläufige Entwicklungen. Wir müssen auf absehbare Zeit vorsichtig sein", warnte Haber.

BIP-Wachstum 2023 und 2024 möglicherweise bei 1,5 Prozent
Mit hoher Unsicherheit behaftet sind momentan im Umfeld globaler Rezessionswarnungen die Prognosen zum Wirtschaftswachstum in Österreich. Eine direkte Schätzung für 2023 und 2024 wollte Haber nicht abgeben. Er betonte jedoch, dass man üblicherweise von einem "natürlichen Wachstum" bei rund 1,5 Prozent ausgehen könne. "Es wird aber keinen Rebound geben. Wir werden nicht die 'V-Erholung' sehen, die es nach der Corona-Pandemie gab", betonte Haber. Mit V-Erholung ist eine steile Aufwärtskurve nach einem scharfen Abwärtstrend gemeint. 

Heuer prognostiziert er für Österreich ein BIP-Wachstum von fünf Prozent. "Die ersten zwei Quartale sind besser gelaufen als erwartet", so Haber. Allerdings sei fast das gesamte erwartbare 2022er-Plus von den ersten Quartalen getrieben. "Im vierten Quartal 2022 sehen wir nur noch geringes Wachstum. Rezessionsentwicklungen sind möglich", sagte Haber. (eml)