Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verschärft auch in Österreich die Inflationssorgen und bremst das Wirtschaftswachstum. Das zeigen die Prognosen der Nationalbank (OeNB). Gouverneur Robert Holzmann warnte anlässlich der Präsentation der Bilanzzahlen am Mittwoch, dass bei einer Verschlimmerung der Kriegshandlungen Österreichs Wirtschaft ein Wachstum von nur 0,4 Prozent droht, die Inflation könnte dagegen bis auf neun Prozent klettern. Ein solches Szenario inkludiert in den OeNB-Berechnungen länger anhaltende Kämpfe, einen Ausbau der Sanktionen und einen Gaslieferstopp.

In einem milderen Szenario – unter Annahme eines zeitnahen Ende des Krieges – würde Österreichs reales BIP im Jahr 2022 um 3,5 Prozent wachsen, heißt es in einer Aussendung. Die Inflationsrate soll dann laut den OeNB-Experten bei 5,3 Prozent liegen. Dies bedeutet ein um 0,8 Prozentpunkte schwächeres BIP-Wachstum und eine um 2,1 Prozentpunkte höhere Inflation als noch im Dezember 2021 angenommen. Im Jahr 2021 war die österreichische Wirtschaft mit 4,5 Prozent kräftig gewachsen – gestützt durch die weiter expansive EZB-Geldpolitik und die staatlichen Corona-Hilfsmaßnahmen. Dementsprechend gut waren auch die ursprünglichen Prognosen für das Jahr 2022.

Prognosen für kommende Jahre moderat
Für die Jahre 2023 und 2024 erwartet die OeNB ein geringeres BIP-Wachstum von 2,2 Prozent beziehungsweise zwei Prozent, während die Inflationsrate auf 2,9 Prozent kommendes Jahr beziehungsweise 2,3 Prozent das Jahr darauf zurückgehen sollte. Bei einer Verschlimmerung der Kriegssituation wären deutlich stärkere BIP- und Inflationseffekte zu erwarten.

Was die Inflationsbekämpfung betrifft, seien aus EZB-Sicht heuer noch zwei Zinsanhebungen denkbar, sagte Holzmann, der dem EZB-Direktorium angehört, auf Journalistenfragen. Er betonte, dass die EZB weiter die Strategie verfolge, vor einer Anhebung erst einmal die Anleihenkäufe einzustellen. Einer raschen Zinsreaktion steht laut Holzmann dann aber nichts im Weg. Wenn im Juni die Wertpapierkäufe eingestellt werden, könne man bereits im September mit einem Zinsschritt beginnen, im Dezember könnte ein zweiter folgen.

Appell an Signalsetzung
Leitzins-Anhebungen über 0,25 Prozent hinaus seien schwierig, betonte Holzmann. Daher sei es gut, schon vorher über zwei Zinsschritte nachzudenken. Es sei psychologisch besser, bereits jetzt anzukündigen, man kehre bei den Einlagenzinssätze für die Banken (von derzeit Minus 0,5 Prozent) auf null zurück und passe die Leitzinsen entsprechend an. Würde die EZB einen Ende der "Negativanomalie" verkünden, wäre das auch ein Signal an die Menschen in Europa, dass die Währungshüter die Sorgen der Menschen um die Inflation und die nominellen Zinsen ernst nehmen.

Die durch die russische Invasion in die Ukraine entstandenen Risiken für den österreichischen Bankenmarkt stellen aus derzeitiger Sicht keine Gefährdung für die Finanzmarktstabilität Österreichs dar, wurde bei der Pressekonferenz betont. Vize-Gouverneur Gottfried Haber verwies außerdem auf den von der OeNB erstmals durchgeführten nationalen Klimastresstest für den Bankensektor. Dieser zeige, dass die Transitionsrisiken, insbesondere aus einer CO2-Bepreisung, für Österreichs Banken beherrschbar sind. Mit dem Klimastresstest nehme die OeNB international eine Vorreiterposition ein. (eml)