Während im Jahr 2000 noch 93 Prozent aller Zahlungstransaktionen in Österreich bar durchgeführt wurden, waren es 2020 etwa 63 Prozent. Cash-Zahlungen werden damit weniger, überwiegen aber nach wie vor. Das geht aus der umfassenden Studie "20 years of euro cash in Austria" der Österreichischen Nationalbank (OeNB) hervor (externer Link zur Studie). Mehrere Forscherinnen und Forscher unterlegen darin, dass Bargeld trotz des Anstiegs der digitalen Transfermöglichkeiten unverzichtbar bleibt.

Wie die dort präsentierten Beiträge zeigen, ist die Bargeldzuneigung der Bürger trotz der Zunahme der digitalen Zahlungen ungebrochen – oder vielmehr steigend: Heute ist der umlaufende Bargeldbetrag im Euro-Raum ungleich größer als vor 20 Jahren. Hauptsächlich liegt das an der zunehmenden Bargeldhortung und an der Auslandsnachfrage. Ende 2021 zirkulierten Euro-Banknoten im Wert von 1.544 Milliarden Euro; das ist mehr als viermal so viel wie Ende 2002, im Jahr der Euro-Einführung. Damals waren es nur 358 Milliarden Euro. In Österreich dürfte sich der in Umlauf befindliche Betrag ungefähr verdoppelt haben; seit der Euro-Einführung gibt es für Einzelmärkte nur Schätzungen.  

Euro-Bargeld als Sicherheitspolster im Ausland
Neben der hohen Inlandsnachfrage wird der Euro-Bedarf vor allem durch finanzielle Sicherheitsbedürfnisse in Drittstaaten angespornt. 30 bis 50 Prozent des Euro-Bargeldumlaufs sollen laut einer EZB-Studie aus dem Jahr 2021 nicht auf den Euro-Raum entfallen. Einen großen Teil davon dürften Privatpersonen zu Sparzwecken halten. Das gelte unter anderem verstärkt für Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE), wo der Euro zum Gutteil die Deutsche Mark, den US-Dollar und den österreichischen Schilling als sicheres und vertrauenswürdiges Wertaufbewahrungsmittel ablöste. In der Region hatten teils Währungs- und Bankenkrisen oder Hyperinflation das Vertrauen der Bevölkerung in die jeweilige Landeswährung in den 1990er Jahren zerstört.

Cash habe vor allem in Krisenzeiten seine Bedeutung bewiesen, schreiben die OeNB-Wissenschafter. "Die Finanzkrise 2007/2008 und die Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass Bargeld als sicherer Hafen angesehen wird", heißt es. Außerdem dürfte das tiefe Zinsniveau die Nachfrage gepusht haben: Wer sein Geld zu Hause hat, braucht darauf keine Negativzinsen zu zahlen. Diese sind zwar im Konsumentenbereich in Österreich nicht erlaubt, Negativzinsen waren aber zuletzt für Unternehmenskunden auch hierzulande ab gewissen Summen üblich.  

Nicht übertragbare Eigenschaften
Bargeld habe Eigenschaften, die elektronisch schwer replizierbar sind, betonen die OeNB-Experten. Dazu zählen die finanzielle Inklusion (Zugang zu Zahlungsdienstleistungen für nicht digital-affine Menschen oder für Menschen ohne Konto), der Überblick über die täglichen Ausgaben, der Schutz der Privatsphäre (anonym bezahlen) und die Krisensicherheit (einkaufen, auch wenn Zahlungssysteme oder Strom ausfallen).

Wenn neben digitalen Zahlungsmöglichkeiten weiter Bargeld zirkuliert, sorge das zum einen für Wettbewerb, zum anderen schütze es vor einer zu großen Konzentration von Nutzerdaten bei den Betreibern privater oder öffentlicher elektronischer Zahlungslösungen. Letztlich solle die Frage des Zahlungsmittelangebots nicht dem Wettbewerb überlassen werden, hier müsse die Geldpolitik aktiv mitbestimmen, schreiben die Forscher.

Bargeld und Bürgerrechte
"Bestimmte Bevölkerungsgruppen brauchen aus nachvollziehbaren Gründen Zugang zu Bargeld, und dem muss die Geldpolitik bewusst Rechnung tragen. Es ist daher Aufgabe der Notenbanken dafür zu sorgen, dass der Bezug von Bargeld und das Barbezahlen weiterhin möglich bleiben, auch wenn dies einen finanziellen Mehraufwand bedeutet, etwa im Zusammenhang mit dem Betrieb von Bankomaten oder im Bereich der Bargeldbearbeitung und Bargeldlogistik", heißt es. Es handle sich nicht nur um ein wirtschaftliches Thema, es gehe auch um demokratische Werte und Bürgerrechte.  

Die Zentralbanken müssten die Bargeldversorgung gewährleisten, selbst wenn ein digitaler Euro kommen würde, fordern die OeNB-Experten. Innerhalb der EZB wird seit einiger Zeit die Einführung einer digitalen Währung geprüft. Dies sei keine Initiative zur Bargeldabschaffung, wie häufig befürchtet. Es gehe darum, den Zugang der Bürger zu digitalem Zentralbankgeld sicherzustellen, heißt es. Damit soll das Feld vor allem nicht den Tech-Giganten überlassen werden, deren Geschäftsmodelle auf Nutzerdatenverwertung basieren. (eml)