Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon, hält es für durchaus möglich, dass US-Präsident Donald Trump dem Wirtschaftsmodel des Merkantilismus zu einem Comeback verhilft. Sollte dieser Neo-Merkantilismus Realität werden, müssten sich Investoren auf langsameres Wachstum, höhere Inflation, niedrigere Zinsen und mehr Volatilität an den Märkten einstellen. Welche Gründe Hüfner dafür nennt, können Sie dem nachfolgenden Original-Kommentar entnehmen. (aa)


Vor Kurzem las ich ein Interview der "Financial Times" mit dem großen Strategen Henry Kissinger. Der Reporter versuchte mit allen Mitteln, Kissinger zu einer Aussage zu Donald Trump zu bringen. An sich sollte das nicht allzu schwer sein. Trump gibt viele Ansatzpunkte, an denen man sich reiben kann. Er ist ein Chaot. Er stellt die Welt auf den Kopf. Er macht rationales Handeln unmöglich. Kissinger aber schwieg zu allen Provokationen des Journalisten be­harrlich.

Schließlich ließ sich er sich aber doch zu einem Statement hinreißen. "Ich denke, Trump könnte einer der Persönlich­keiten in der Geschichte sein, die von Zeit zu Zeit auftau­chen, um das Ende einer Ära zu kennzeichnen und uns zwingen, alte Vorurteile aufzugeben. Das muss nicht hei­ßen, dass er das weiß oder dass er eine Alternative erwägt. Es könnte sein, dass es einfach ein Zufall ist."

Das hat mich nachdenklich gemacht. Könnte es sein, dass hinter den immer neuen und überraschenden Tweets Me­thode steckt? Dass sich mit ihnen ein neues Paradigma der Weltwirtschaft ankündigt? Dafür spricht, dass Trump immer mehr Anhänger in der Welt findet, und dass die bisherige li­berale Weltordnung nicht nur in den USA durchlöchert wird. Wenn das so wäre, dann ist es höchste Zeit, sich darauf einzustellen.

Die Nachkriegszeit stand – auf einen einfachen Nenner ge­bracht – im Zeichen der liberalen Marktwirtschaft und der Globalisierung. Die Trump'sche Welt ist eher die des Mer­kantilismus. Die Geistesgeschichte geht 400 Jahre zurück. Sie setzt nicht mehr auf die "unsichtbare Hand" des Mark­tes, sondern auf den Nationalstaat zur Förderung der Wirt­schaft und der Beschäftigung.

Der große Ökonom Walter Eucken hatte zur Etablierung der liberalen Marktwirtschaft sechs konstituierende Prinzipien aufgestellt. In Anlehnung daran hier einmal ein paar Prinzi­pien zur Charakterisierung des neuen Merkantilismus. Aus Platzgründen skizziere ich nur jeweils nur ein paar Stich­worte. Jedem fallen dazu reichlich Beispiele ein.

Erstens: Nicht offene, sondern geschlossene Grenzen. Mit Zöllen und Protektionismus sollen Jobs geschaffen, mit Mauern soll die Konkurrenz am Arbeitsmarkt beschränkt werden.

Zweitens: Interventionismus statt freier Märkte. Wenn sich die Wirtschaft nicht in der Weise entwickelt, wie Trump es will, zögert er nicht, einzelnen Unternehmen mit der Keule "Staatliche Eingriffe" zu drohen. Rechtsstaat ist anders.

Drittens: Statt Konstanz der Wirtschaftspolitik (die in der Sozialen Marktwirtschaft eine wichtige Rolle spielte) be­wusst eingesetzte Überraschung und Verunsicherung der Märkte durch unerwartete Maßnahmen.

Viertens: Statt Unabhängigkeit der Notenbank Unterstel­lung auch der Geldpolitik unter die Exekutivgewalt des Prä­sidenten. Die amerikanische Notenbank ist zwar immer noch unabhängig, Trump hat aber schon deutlich gemacht, dass er die Politik der Fed (Anhebung der Zinsen) nicht gut findet. Ich vermute, dass es nicht bei der Kritik bleibt.

Fünftens: Statt freier Zinsbildung durch die Notenbank und die Märkte Einsatz der Zinsen zur Förderung von Unterneh­men und zur Schaffung von Jobs. Das Ziel der Preisstabili­tät kommt im Vokabular von Trump praktisch nicht vor.

Sechstens: Statt ausgeglichener Haushalte, um die Kapi­talmärkte den Privaten zu überlassen, steigende Staatsver­schuldung. Das öffentliche Defizit der USA ist im bisherigen Verlauf des Jahres 70 Milliarden US-Dollar höher als in der gleichen Zeit des Vorjahres.

Siebtens: Statt Verteilungsgerechtigkeit zur Förderung des sozialen Friedens Begünstigung der Reichen in der Gesell­schaft. Siehe die letzte Steuerreform der USA.

Manches ist hier vielleicht etwas spitz formuliert und wird auch nicht von allen Vertretern des Neo-Merkantilismus so geteilt. Das Ganze ist auch nicht jedermanns Sache (auch meine nicht). Es lässt sich aber nicht leugnen, dass es ein konsistentes System ist.

Es wird auch die Investment-Perspektiven an den Kapital­märkten beeinflussen. Wichtige Punkte sind hier: Das Wirt­schaftswachstum wird durch Steuersenkungen zwar kurz­fristig aufgebläht. Langfristig wird es jedoch geringer sein, weil das Kapital nicht so effizient eingesetzt wird, die Un­sicherheit auf den Märkten größer ist und der Welthandel nicht mehr so dynamisch ist (siehe Grafik). Die Produktivität wächst nicht mehr so schnell. Zu den demografischen Wachstumsbremsen kommen also noch wirtschaftspoliti­sche hinzu.

Gleichzeitig wird die Inflation tendenziell höher sein, weil sich niemand darum kümmert. Einzelne Preise, die für die Menschen besonders wichtig sind, bekommen allerdings besondere Bedeutung (zum Beispiel die der Sojabohnen). Die Regierung greift hier ein. Auf Dauer sind auch Preiskon­trollen in einzelnen Sektoren denkbar.

Die Zinsen der Banken und auf dem Kapitalmarkt werden auf die Dauer niedriger sein. Das soll die Wirtschaft, nicht zu­letzt auch den Bau weiter ankurbeln. Die Unternehmens­gewinne werden höher als unter den bisherigen Bedingun­gen sein. Das hilft den Aktienmärkten. Wechselkursschwan­kungen werden eher größer sein.

Für den Anleger
Insgesamt dürften Aktien von dem merkantilistischen Wirt­schaftsmodell trotz des niedrigeren Wachstums profitieren. Allerdings steigt die Volatilität wegen der schwierigen Vor­hersehbarkeit des Regierungshandelns. Zudem steigen die Wechselkursrisiken bei grenzüberschreitenden Transaktio­nen. Im Augenblick gilt das Modell vor allem in den USA. Amerikanische Aktien sind daher interessant. In Zukunft können aber noch andere Länder dazu kommen (vielleicht Italien, die Niederlande, wenn Macron scheitern sollte even­tuell auch Frankreich).