Die Inflation könnte zwar "für eine gewisse Zeit im Spätsommer" in die Nähe des von den Währungshütern mittelfristig angestrebten Niveaus kommen. Aufgrund der anhaltend starken Steigerungen bei den Dienstleistungspreisen dürfte sie jedoch wieder anziehen und bis weit ins Jahr 2025 über dem Zielwert bleiben, sagte Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, am Donnerstag (29.8.) in einer Rede in Frankfurt. "Wir müssen vorsichtig sein und dürfen die Leitzinsen nicht zu schnell senken. Wir sind noch nicht am Ziel. Unser Ziel von zwei Prozent ist zwar in Sicht, aber noch nicht erreicht", so der Notenbanker.

Hintergrund der Äußerungen ist, dass die Verbraucherpreise im August in Deutschland und Spanien weniger stark gestiegen sind als erwartet, was darauf hindeutet, dass auch die Inflation in der Eurozone schwächer ausgefallen sein könnte als die prognostizierten 2,2 Prozent. Eurostat wird diese Daten am Freitag (30.8.) veröffentlichen.

Nagel sagte, dass die Währungshüter "die eingehenden Daten weiterhin sorgfältig beobachten" werden, zu denen auch ein weiterer Indikator für das Lohnwachstum im Euroraum gehört. "Wir prüfen gründlich, ob diese Daten unsere Erwartung einer zeitnahen Rückkehr zu unserem Ziel von zwei Prozent bestätigen."

Deutliche Signale
Nagel äußerte sich zum ersten Mal zur Geldpolitik seit der Sommerpause der EZB. Zwei Wochen vor der nächsten Zinsentscheidung der Zentralbank haben mehrere seiner Ratskollegen bereits signalisiert, dass am 12. September eine weitere Senkung wahrscheinlich ist.

Der Portugiese Mario Centeno sagte, die bevorstehende Entscheidung sollte angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftsleistung "einfach" sein. Die Märkte, die auf zwei oder drei weitere Schritte in diesem Jahr setzen, scheinen dem zuzustimmen.

Der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot sagte hingegen am Dienstag (27.8.), dass er weitere Informationen abwarten wolle, bevor er sich für oder gegen eine Senkung im nächsten Monat entscheide. Und der Österreicher Robert Holzmann sagte, dass ein solcher Schritt keine "ausgemachte Sache" sei.

Nagel griff dies auf, versuchte aber, den Eindruck einer größeren Uneinigkeit zu zerstreuen. "Wendepunkte im Zinszyklus sind oft Gegenstand intensiver Debatten", sagte er. "Bei ihren Entscheidungen sind die geldpolitischen Entscheider immer mit einem gewissen Maß an Unsicherheit konfrontiert", sagte Nagel. "Deshalb werden eine gewisse Meinungsvielfalt unter ihnen sowie der Spielraum für ihr eigenes Urteilsvermögen als Merkmale und nicht als Fehler angesehen." (mb/Bloomberg)