Alle Jahre wieder präsentiert sich dasselbe Bild: Nicht die vielbeachteten Aktienpromis aus den nationalen Leitindizes wie dem Dax, dem ATX oder dem CAC-40 entscheiden das europäische Börsen-Wettrennen für sich, sondern die Anteilscheine aus der zweiten oder der dritten Reihe.

So auch 2015: Die wahren Champions an den europäischen Aktienmärkten waren die mittelgroßen Nebenwerte. Im ablaufenden Jahr sind die Titel im Euro-Stoxx-Smallcap-Index vier Mal stärker gestiegen als die Standardwerte, hat Bloomberg ausgerechnet. Selbst der schwache Euro verlieh den großen Exportunternehmen aus dem Blue-Chip-Barometer Euro Stoxx 50 nicht genügend Rückenwind, um die wendigen Mittelstands-AGs zu überholen oder mit ihnen gleichzuziehen.

Mittelständler im Vorteil...
Die erneute Outperformance der europäischen Small Caps hat realwirtschaftliche Gründe. Neben ihrem Spezialistentum, das ihnen auch in wirtschaftlich wackligen Zeiten auskömmliche Gewinnspannen ermöglicht, wurden ihre Geschäfte vom allgemeinen Abschwung in den Schwellenländern, der Baisse der Rohstoffe und der Zinsanhebung der US-Notenbank weit weniger in Mitleidenschaft gezogen als die zahlreicher Großkonzerne.

Nach Ansicht von Pictet Asset Management ist das Nebenwerte-Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Die verbesserte Stimmung bei Unternehmern und Verbrauchern sowie die Maßnahmen der europäischen Zentralbank seien Argumente für die meist auf den europäischen Markt konzentrierten Firmen. "Das Gewinnwachstum in Europa bleibt erhalten trotz eingetrübter weltweiter Aussichten", sagte Guillaume Chagnard vom Smallcap-Equities-Team von Pictet in London gegenüber Bloomberg. "Die kleineren Unternehmen profitieren von der Erholung der europäischen Wirtschaft und sind dabei nicht so stark von der Öl- und Rohstoffschwäche betroffen. Wenn man bedenkt, dass die Ergebnisse noch weit unter dem Hoch von 2007 liegen, dann gibt es einiges an Potenzial im kommenden Jahr."

...trotz teils ehrgeiziger Bewertungen
Auch Fondsmanager Lorenzo Carcano vom Bankhaus Metzler & Co. in Frankfurt ist weiterhin überzeugt von den Nebenwerten – obwohl er einräumt, dass sich die traditionell günstigeren Bewertungsrelationen von Small- und Midcaps gegenüber Blue Chips angesichts der anhaltenden Outperformance längst ins Gegenteil verkehrt haben. Doch selbst die um 29 Prozent höhere Bewertung im Vergleich zu Standardtiteln lässt Carcano nicht wanken, da kleinere Titel die höhere Wachstumsdynamik aufweisen. Der Verwalter eines Nebenwerte- Fonds, der 97 Prozent seiner Wettbewerber übertroffen hat, erachtet dies als Vorteil in einem Umfeld, das von geringem Wachstum geprägt ist, heißt es bei Bloomberg.

Obwohl also vieles dafür spricht, dass Nebenwerte auch 2016 die Nase vorn haben werden und clevere Berater deswegen ihr Midcap-Wissen auffrischen sollten, wird das Motto "Klein, aber fein" nicht von allen Beobachtern befürwortet. So geht Wouter Sturkenboom von Russell Investments nur noch von begrenzten Nebenwerte-Chancen aus. "Verwerfungen in den Schwellenländern könnten die brüchige Erholung der europäischen Konjunktur ins Wanken bringen. Die Gewinner dieses Jahres stünden auf den Verkaufslisten dann ganz oben", erläutert er gegenüber Bloomberg. (ps)