"Der Ausschluss von Unternehmen ist sicherlich eine beliebte Methode, um die ESG-Präferenzen der Anleger zu berücksichtigen", meint Brunno Maradei, Global Head of Responsible Investment bei Aegon Asset Management. Allerdings werde dieser Ansatz mittlerweile oft als "veraltet" und "unausgereift" bezeichnet.

Oft werde argumentiert, sogenannte Divestments hätten eine echte Wirkung auf die Realwirtschaft, weil sie die Kapitalkosten für die ausgeschlossenen Emittenten erhöhten. "Wissenschaftler versuchen seit einiger Zeit herauszufinden, ob dieser Mechanismus funktioniert – mit gemischten Ergebnissen", berichtet Maradei mit Verweis auf verschiedene akademische Studien.

Ernüchterndes Beispiel aus der Praxis
Mit Blick auf die Praxis diene die Tabakindustrie als eher ernüchterndes Beispiel: Obwohl immer mehr Investoren die Finger von entsprechenden Aktien und Anleihen ließen, gehe es den führenden Konzernen gut. "Der weltweite Zigarettenkonsum erreichte 2009 seinen Höhepunkt, und obwohl der Absatz von Philip-Morris-Zigaretten in den letzten zehn Jahren um über 30 Prozent zurückgegangen ist, sind die Einnahmen und die Rentabilität des Unternehmens einigermaßen stabil geblieben", so Maradei. Der Absatzrückgang werde in der Regel auf staatliche Maßnahmen wie Steuern, Rauchverbote und Werbebeschränkungen zurückgeführt. "Bestenfalls kann man argumentieren, dass die relativ höheren Eigenkapitalkosten der Tabakunternehmen die Ausweitung der Tabakproduktion behindert haben", meint der Aegon-AM-Manager. "Aber sie haben die Unternehmen nicht daran gehindert, in die Entwicklung anderer Tabakprodukte wie elektronische Zigaretten zu investieren."

Maradei betont jedoch, dass es nicht nur um die Frage steigender Kapitalkosten gehe. Er nennt eine Studie der Forscher Shaun Davies und Edward Van Wesep, die große Divestment-Kampagnen untersuchten. Erfolge seien demnach eher auf sozialen als auf finanziellen Druck zurückzuführen. Der US-Wirtschaftswissenschaftler Meir Statman argumentiere zudem, Divestments könnten auch als Lobbying-Instrument oder als Signal für weitere politische Maßnahmen Wirkung entfalten.

Ein Divestment kann unbeabsichtigte Folgen haben
"Die Veräußerung von Anteilen kann jedoch auch mit Kosten verbunden sein", betont Maradei. "Investoren, die ihre Anteile veräußern, haben offensichtlich keinen Platz mehr am Verhandlungstisch." Oft sei es vernünftig, einen Titel zu verkaufen, wenn sich ein Unternehmen trotz des Drängens der Investoren über einen gewissen Zeitraum nicht bewege. "Die Desinvestitionsentscheidung kann jedoch auch die unbeabsichtigte Folge haben, dass es der Unternehmensleitung dann leichter fällt, nur auf die Ansichten der gegnerischen Aktionäre zu hören", berichtet er und nennt ein Beispiel: "Ein ehemaliger Mitarbeiter eines großen Ölkonzerns stellte kürzlich fest, dass der Kurswechsel des Unternehmens in Bezug auf weitere Investitionen in die Exploration nur wenige Wochen nach der öffentlichen Ankündigung großer institutioneller Anleger erfolgte, sich aufgrund ihrer Frustration über die langsamen Fortschritte bei den Umstellungsplänen zu veräußern."

Für ihn ist dies "ein abschreckendes Beispiel dafür, wie wichtig ein starkes Engagement und Beharrlichkeit sind, selbst wenn die Interessengruppen eindeutige, mutige und schlagzeilenträchtige Maßnahmen wie Desinvestitionen fordern". Das Fazit des Aegon-AM-Managers: "Engagement ist ein Marathonlauf, kein Sprint." Ohne eine sorgfältige Abwägung und eine Strategie, die mehrere Hebel einsetze, könne ein Divestment nur den "Wohlfühlfaktor" bringen. (bm)