Die turbulenten Bewegungen am türkischen Kapitalmarkt lassen die langfristigen volkswirtschaftlichen Aussichten in einem anderen Licht erscheinen. Für Werner Hedrich, Fondsresearch-Leiter bei Morningstar Deutschland steht fest: Für Risiko wird an den Märkten wieder bezahlt. Nachfolgend lesen Sie den Originaltext von Werner Hedrich.

 

In den letzten Wochen gab es praktisch nur Verlierer am Bosporus: Nach den starken Verlusten am Aktienmarkt, empfindlichen Einbußen bei Anleihen (sprich steigenden Renditen) und einer signifikanten Abwertung der Landeswährung steuert die türkische Notenbank entgegen und stützt die Lira. Die Zentralbank am Bosporus kauft türkische Lira mit ihren Dollar- und Euroreserven - ein Versuch, den Abwärtstrend zu stoppen.

 

No free lunch

 

Auf türkische Aktien spezialisierte Fonds gehören der Kategorie Osteuropa an. Ist schon die Anlageklasse "Osteuropa" mit einem überdurchschnittlichen Risiko behaftet, gilt dies einmal mehr für ein reines Länderinvestment in den Emerging Markets. Für Schwellenländerinvestments sollten Anleger somit besonders risikobereit sein und einen langen Atem mitbringen - an Risikofaktoren herrscht erfahrungsgemäß kein Mangel. Türkei-Bären nennen politische Risiken (Wahlen im Herbst nächsten Jahres), anziehende jährliche Inflationsraten um 10 Prozent und eine negative Handelsbilanz. Die zuletzt eingeleitete restriktivere Geldpolitik könnte zudem das Wachstum von 6Prozent-Plus bremsen.

 

Auch wollen Aktienmärkte nicht immer die von Volkswirten gepriesenen positiven Aussichten honorieren. Türkei-Bullen verweisen auf die Entwicklung der Demographie, die günstige Bewertung am Aktienmarkt und die konstant wachsenden Direktinvestitionen aus dem Ausland. Europäische Banken haben jüngst türkische Banken gekauft, um an Konsumentenkrediten, Kreditkarten und Unternehmensdarlehen zu verdienen. Und natürlich: Der potentielle EU-Beitritt.

 

Türkeifonds

 

Drei reine Türkeiportfolios bieten die DWS, der Schwellenländerspezialist Charlemagne aus London und die türkische Isbank an. Der DWS Türkei und der Magna Turkey Fund von Charlemagne haben eine kurze Historie, sind erst im Sommer 2005 und Anfang 2005 aufgelegt worden. Ein alter Hase ist der Turkisfund-Equities, der eine fast zehnjährige Historie aufweisen kann. Berater des Fonds ist die Asset Management Tochter der Türkiye Is Bankasi. An diesem Fonds kann man schön sehen, dass Investoren zwischen 2003 und 2005 traumhafte Kurssteigerungen von jährlich bis zu 80 Prozent verbuchen konnten.

 

Mit der Zunahme des Risikobewusstseins an den internationalen Finanzmärkten hat der türkische Aktienmarkt erheblich an Boden verloren, verstärkt wurden die Verluste durch eine drastische Abwertung der Landeswährung: von Anfang Mai bis Ende Juni brach die türkische Lira um mehr als 30 Prozent ein. Was Touristen freut, schmerzt Anleger. Die Fonds verloren seit Jahresanfang rund 40 Prozent. Europäische und US-Anleger konnten gar nicht schnell genug ihre Aktien am Bosporus verkaufen.

 

Der Magna Turkey Fonds hält insgesamt 26 Positionen (DWS 55 Titel, Turkisfund 25 Aktien). Der Magna Fonds hat eine Mid Cap Orientierung, wobei Mid Caps am türkischen Aktienmarkt eine Marktkapitalisierung von ungefähr 160 Millionen Euro haben. Das Fondshaus Charlemagne hat insgesamt 250 Millionen Euro am türkischen Aktienmarkt investiert.

 

Freiheiten

 

Der Turkisfund-Equities hat die Möglichkeit, bis zur Hälfte des Vermögens Anleihen und Geldmarktpapiere zu halten. Ende Mai waren auch nur 64 Prozent der Anlegergelder in Aktien investiert. Das hat geholfen, weil Aktien stärker als Anleihen und Kurzläufer gefallen sind. Die Barquote der DWS betrug 9 Prozent.

 

Kosten in Schwellenländerportfolios

 

Der Turkisfund-Equities besticht vor allem durch seine äußerst günstige Kostenstruktur für Privatinvestoren. Die Verwaltungsgebühr beträgt für die ersten 10 Millionen Euro 1 Prozent und nimmt danach sukzessive ab. Die DWS und Charlemagne greifen da schon kräftiger zu. Die DWS belastet eine Kostenpauschale von 2 Prozent, zudem fällt eine hohe erfolgsbezogene Vergütung an: Die Performance Fee beträgt 1/4 der Outperformance des Vergleichsindex ISE100 in EUR. Charlemagne fakturieren eine Management Fee von 1,75 Prozent. Steigt der Fonds um jährlich mehr als 10 Prozent, buchen die Emerging Markets Spezialisten 20 Prozent des Mehrertrags auf ihr Konto. Eingebaut ist eine sogenannte High Watermark. Auf Deutsch: Erst wenn die Anteilspreise alte Höchststände erreicht haben, greift die Performanceentlohnung.

 

Interventionen der türkischen Notenbank

 

Privatanleger können sich die Maßnahmen der Zentralbank so vorstellen, als ob an einem Wochenende an der türkischen Reviera alle Touristen in die Wechselstuben rennen und die verbleibende Urlaubskasse in Dollar und Euro zurückwechseln. Es war ein schöner Urlaub, aber der Flieger geht morgen zurück und man möchte das Geld nicht bis nächstes Jahr zu Hause aufbewahren. Eher tauschen die Gäste beim kommenden Besuch wieder zurück und zahlen die verhassten Kommissionen der Exchange-Schalter. Kurzum: Alle verkaufen Lira, der Kurs müsste eigentlich fallen. Da die Kurse aber schon kräftig abgerutscht sind, baut eine staatliche Wechselstube schnell eine Dependance auf und stellt sich auf die Gegenseite der Touristen. Der staatliche Geldwechsler kauft Lira an. Warum macht das der Staat? Instabilität im Wechselkursgefüge könnte die Gäste verschrecken. Man möchte die Besucher bald wieder empfangen.

Zudem erhöhte die türkische Zentralbank den Zinssatz für Tagesgeld auf 20,25 Prozent. Wer also türkische Staatspapiere kauft, erhält einen Geldmarktsatz von rund 20 Prozent. Die Krux daran sind eine Inflation von rund 10 Prozent und die Gefahr einer fortschreitenden Abwertung der Landeswährung. Investoren kalkulieren nun scharf: 20 Prozent Rendite minus 10 Prozent Inflation macht 10 Prozent am Geldmarkt. Da juckt es so manchen Online-Banking Tagesgeldjäger in den Fingern? Vorsicht! Die 10 Prozent sind in türkischer Lira gerechnet. Und bleibt die Inflation im 10-Prozent-Korridor? Nehmen die Inflationserwartungen zu, steigen die Renditen nochmals an. Die Notenbank wird durch Zinsanhebungen intervenieren und das Ziel Geldwertstabilität verfolgen. Ein guter Deal werden türkische Kurzläufer nur dann, wenn die Inflation zurückgeht und die restriktive Geldpolitik das Wachstum nicht zu sehr hemmt.