Der mögliche Austritt Großbritanniens aus der EU gilt als eines der größten Risiken für die Aktienmärkte in den kommenden Wochen. Manager europäischer Standardwertefonds und ihre Anleger dürften dem Brexit-Referendum am 23. Juni allerdings gelassen entgegensehen. Eine Analyse der Fondsratingagentur Morningstar zeigt: In Aktienfonds der Kategorie "Europe Large Cap Blend" sind britische Aktien deutlich untergewichtet – und das nicht erst seit heute.

Ende April hatten britische Aktien im Index MSCI Europe ein Ländergewicht von zusammenaddiert 28,4 Prozent. Europafonds hatten die Papiere dagegen im Schnitt nur mit 22 Prozent gewichtet, zeigt die Morningstar-Auswertung. DEmnach sind Anteilscheine aus dem Vereinten Königreich gegenüber dem Benchmark-Anteil um etwas mehr als sechs Prozentpunkte untergewichtet. Einen Monat zuvor hatte die UK-Quote in den Flaggschiff-Produkten noch bei durchschnittlich 22,65 Prozent gelegen.

Blickt man weiter zurück, zeigt sich: Ende 2011 hatten Europa-Fondsmanager den Anteil britischer Aktien letztmalig drastisch erhöht. Seitdem aber ist die UK-Quote deutlich gesunken. Neutral gewichtet, also gleich stark vertreten wie im Vergleichsindex, waren britische Aktien in den vergangenen fünf Jahren zu keinem Zeitpunkt. Mit dem Brexit alleine also lässt sich die fast schon kategorische Untergewichtung nicht erklären.

Aktien von der Insel werden kategorisch gemieden

 

1464629049.png

Sicherer Hafen – aber nicht lange
Die Morningstar-Experten haben für die dauerhaft niedrigere UK-Quote eine verblüffende Erklärung parat. Die meisten professionellen Manager wollten kontinentaleuropäische Anleger ansprechen – und die wollen offenbar nicht ein Drittel ihres Geldes auf der Insel investiert wissen, so die Begründung. Die Untergewichtung britischer Aktien in Höhe von stolzen sechs Prozentpunkten ist also ein langfristiger Trend. Die höhere UK-Quote Ende 2011 hingegen war ein Sonderfall: Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise betrachteten Europa-Fondsmanager Großbritannien offenbar vorübergehend als sicheren Hafen.

Dafür, dass britische Aktien jetzt überhaupt noch in Europa-Portfolios vorhanden sind, gibt es mehrere mögliche Gründe. Erstens könnten Fondsmanager das Pfund absichern, aber ihr Großbritannien-Exposure unberührt lassen. Zweitens könnte bei ihnen der Glaube überwiegen, dass es doch nicht zum Brexit kommt. Drittens könnten sie davor zurückscheuen, sich zu stark von ihrer Benchmark zu entfernen. Viertens könnte es sein, dass sie keine Möglichkeit finden, ihrer Sorge über einen Brexit anderweitig Ausdruck zu verleihen. Sowohl das Pfund als auch die Kurse britischer Standardwerte verzeichneten in den vergangenen Monaten Verluste und könnten nun einen Boden gefunden haben. (fp)