Martin Gilbert, Co-CEO bei Standard Life Aberdeen, bewertet die Aussichten für verschiedene Volkswirtschaften und Sektoren sehr unterschiedlich und erkennt steigende die Gefahren an den Märkten. Vor diesem Hintergrund stellt er sich die Frage, wie wohl der vor zehn Jahren verstorbene Star-Investor Sir John Templeton in der aktuellen Situation anlegen würde.

"Zu viele Anleger orientieren sich an Prognosen und Trends. Konzentrieren Sie sich lieber auf die tatsächlichen Unternehmenswerte." Das ist laut Gilbert einer der weisen Ratschläge des für ihn größten Fondsmanagers. Templeton sei brillant gewesen, erklärt Gilbert. Als überzeugter Contrarian mit langfristigem Anlagehorizont stützte sich die Investroren-Legende auf die Fundamentalanalyse statt auf die technische Analyse oder Momentumanalysen. Außerdem glaubte er fest an die Vorteile der Diversifizierung. So war er einer der Ersten, die bereits in den 1960er-Jahren in Japan investierten.

"Schwierige Marktphasen gemeistert"
"Wie Sir John Templeton das aktuelle Anlageumfeld einschätzen würde, ist eine interessante Frage", sagt Gilbert. Er zweifle nicht daran, dass dieser erfahrene Anleger mit der heutigen Situation bestens fertig werden würde. "Schließlich hat er zahlreiche schwierige Marktphasen gemeistert, darunter die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre", erklärt Gilbert.

Auf den ersten Blick scheint sich nach Gilberts Einschätzung die Weltwirtschaft zehn Jahre nach der Finanzkrise gut erholt zu haben. In den großen Volkswirtschaften wird für dieses Jahr mit dem höchsten Wachstum seit 2011 gerechnet. Die von US-Präsident Doanld Trump geplanten umfangreichen Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen dürften auch 2019 noch für äußerst günstige Bedingungen sorgen.

Bei genauerem Hinseheh zeigen sich Probleme
Wenn Investoren genauer hinschauten, würden sie aber erkennen, dass sich die Aussichten für die einzelnen Sektoren und Volkswirtschaften unterscheiden, während die Konjunkturrisiken zugenommen haben. Der Konjunkturoptimismus in Europa wurde zuletzt gedämpft und einige der größeren Schwellenländer leiden unter einer Verknappung der Dollarliquidität infolge der Geldpolitik der US-Notenbank Fed.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat in ihrem aktuellen Jahresbericht darauf hingewiesen, dass zunehmende Handelsspannungen oder ein starker Anstieg der Anleiherenditen in den Industrieländern das Wachstum beeinträchtigen könnten. Politische Unsicherheit und enttäuschende Unternehmensgewinne könnten die Risikobereitschaft der Anleger verringern.

Kombination von Maßnahmen
Dies geschehe zu einer Zeit, in der die quantitativen Lockerungsprogramme, die die Vermögenspreise lange gestützt haben, schrittweise zurückgefahren werden. Die BIZ nannte eine Kombination von Maßnahmen, die ergriffen werden können, um makroökonomische und finanzielle Stabilität sicherzustellen und ein langfristig tragfähiges Wachstum zu fördern. Die wichtigsten Ziele seien dabei eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems, eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und vor allem eine Steigerung des Produktivitätswachstums.

"Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind ziemlich unsicher, wer das nicht einsieht, macht sich etwas vor", sagt Gilbert. Dies bedeute nicht, dass Investoren Konjunkturprognosen, Vorhersagen und Makrotrends ignorieren sollten. Es ist durchaus sinnvoll, sie im Rahmen des Anlageprozesses zu berücksichtigen. "Man sollte Portfolioentscheidungen aber nicht ausschließlich darauf stützen“, so Gilbert.

Gutes Research wird Value-Perlen entdecken
Fundamentalanalyse und Research nehmen laut Gilbert weiterhin eine zentrale Rolle ein – bei der Auswahl einzelner Anleihen, Unternehmen, Sektoren und Länder sowie der jeweiligen Strategie. Investoren sollten Gilbertes Empfehlung nach in jedem Fall einen disziplinierten Ansatz wählen und sich unter anderem die folgenden Fragen beantworten: Wie hoch ist der fundamentale Wert der Anlage, die ich kaufen oder verkaufen will, im Vergleich zum aktuellen Marktpreis? Welche Informationen habe ich, über die andere nicht verfügen? Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um zu kaufen oder zu verkaufen?

Wenn zum Beispiel Schwellenländeranleihen und -aktien von vielen Marktteilnehmern verkauft werden, stelle sich Gilbert zufolge die Frage, ob diese Verkäufe eine reflexartige Reaktion etwa auf eine Reihe von Tweets sind oder auf einer fundamentalen Einschätzung des langfristigen Werts der Anleihen und Unternehmen beruhen. "Wie Sir John Templeton ebenfalls sagte: 'Wer eine bessere Performance als die Masse erzielen will, muss anders handeln als die Masse'", erinnert Gilbert. (aa)