"Es gibt Teile des Marktes, die unserer Meinung nach in großen Schwierigkeiten stecken", sagte Jonathan Golan von der Hedgefondsgesellschaft Man Group in London. Der Portfoliomanager überflügelte mit seinem Investment-Grade-Anleihefonds laut "Bloomberg"-Daten im vergangenen Jahr 99 Prozent der Vergleichsgruppe. "Es gibt mehr Banken, die unter die Lupe genommen werden, mehr Banken, die Verluste erleiden, und möglicherweise werden auf beiden Seiten des Atlantiks einige Banken in den Default geraten."

"Nicht nur nicht mehr Investment Grade, sondern auch insolvent"
Mit dem Kurssturz bei der New York Community Bancorp sind auch die Aktien der Deutschen Pfandbriefbank und der japanischen Aozora Bank abgerutscht. Händler fragen sich, wer als nächstes in den Abwärtsstrudel geraten könnte. 

"In Deutschland und Skandinavien sehen wir Engagement im Gewerbeimmobiliensegment als Prozentsatz des materiellen Eigenkapitals im Bereich von 400, 500, 600, 700 Prozent", sagte Golan im "Bloomberg"-Interview. "Wenn jede dieser Banken für jeden Dollar, den sie an Gewerbeimmobilien verleiht, eine Abschreibung von 15 Cent vornimmt – was ich nicht als Basisfall ansehe, aber als ein völlig vernünftiges Szenario –, sind diese Banken nicht nur nicht mehr Investment Grade, sondern auch insolvent."

Pfandbriefbank erhöht weiter Risikovorsorge
Es gab erste Anzeichen für eine mögliche Ansteckung auf breiterer Ebene: Anleihen deutscher Banken, die sich auf den Immobiliensektor spezialisiert haben, brachen jüngst ein. Zuvor hatten Analysten von Morgan Stanley Kunden empfohlen, vorrangige Anleihen der PBB zu verkaufen. Die Pfandbriefbank teilte am Mittwoch (7.2.) mit, angesichts des "anhaltend herausfordernden Marktumfelds" die Risikovorsorge im vierten Quartal 2023 weiter erhöht zu haben. 

"Bloomberg Intelligence" ist der Ansicht, dass US-Gewerbeimmobilienkredite mit einem Anteil von ein Prozent oder weniger an der Bilanzsumme keine wesentliche Bedrohung für europäische Großbanken wie die Deutsche Bank, HSBC und BNP Paribas darstellen, weist aber auf Risiken bei einigen Banken hin.

"Die Aareal Bank mit einem Engagement von 16 Prozent und die Pfandbriefbank mit zehn Prozent sind stärker gefährdet, wobei die gerade angehobene Risikovorsorge der PBB für 2023 zeigt, dass die Schwäche des Immobilienmarktes noch nicht vollständig berücksichtigt ist", hieß es in einer "BI"-Analyse.

"Wollen gleichzeitig offensiv und defensiv agieren"
Man-Group-Fondsmanager Golan hält Leerverkäufe von Wertpapieren jetzt für attraktiv, wollte sich aber nicht zu Einzelwerten oder der Performance seines Fonds äußern. Die 1783 gegründete Man Group ist mit einem Volumen von 161 Milliarden US-Dollar der größte börsennotierte Hedgefonds der Welt.

"Wir haben uns darauf konzentriert, Sektoren und Einzeltitel zu identifizieren, die deutlich über ihrem inneren Wert gehandelt werden", erklärte Golan. In den vergangenen Jahren hätten die Chancen vor allem in Long-Positionen gelegen. "Nun aber befinden wir uns in einem sehr späten Stadium des Bewertungszyklus – und deshalb wollen wir gleichzeitig offensiv und defensiv agieren."

Wert sieht Golan indessen in anderen Bereichen des Bankensektors, insbesondere in kleineren Ländern, in denen der Markt oligopolistischer sei und die Margen höher. Er verweist dabei auf einige mittel- und osteuropäische Banken sowie auf spezialisierte britische Banken, die nicht um das gleiche Geschäft konkurrieren wie die großen Anbieter.

"Es gibt einige sehr starke Institute, die sich nur in geringem Maße in Gewerbeimmobilien engagieren, über differenzierte Geschäftsmodelle verfügen und eine hohe Rentabilität, Solvenz und Liquidität aufweisen", sagte er. "In diesen Bereichen finden wir attraktive Möglichkeiten, aber man muss wirklich selektiv vorgehen." (mb/Bloomberg)