Mit dem Mai haben auch die Förderkürzungen der Opec-Plus-Mitglieder offiziell begonnen. Die gedrosselte Produktion ist die Reaktion auf den Ölpreis-Crash Ende April, ausgelöst durch den starken Nachfragerückgang in der Coronakrise. Doch auch wenn die Pandemie überstanden ist und sich die Wirtschaft weltweit wieder erholt, werden Anleger wohl vergeblich auf ein Comeback am Ölmarkt warten. "Bis sich die Ölpreise unserer Erwartung nach langfristig zwischen 40 und 50 US-Dollar einpendeln werden, dürfte der gesamte Ölsektor einen radikalen Anpassungsprozess erleben", sagt Adolf Rosenstock, volkswirtschaftlicher Berater und Aufsichtsratsvorsitzender beim Vermögensverwalter Mainsky Asset Management.
 
Das Virus wird früher oder später überstanden sein, doch die Klimakrise bleibt. Und auf diese reagieren Staaten auf der ganzen Welt, indem sie "den Einsatz fossiler Brennstoffe zurückdrängen werden. Möglicherweise haben wir deshalb die Spitze im weltweiten Ölverbrauch bereits gesehen", sagt Rosenstock. Der Vermögensexperte geht davon aus, dass der Ölbedarf nur allmählich wieder steigen wird. Der Ölpreis würde sich in einem weiterhin freien Markt auf dem Niveau einpendeln, bei dem die relativ starre Nachfragemenge aus Förderanlagen gedeckt wird, die profitabel sind oder zumindest keine Verluste erwirtschaften.
 
Neue Strategie statt Öl-Kartell
Laut Rosenstock sind die Tage, an denen das Öl-Kartell für ein hohes Preisniveau am Ölmarkt gesorgt hat, vorbei. "Für Anbieter ist es viel vorteilhafter, die eigene Produktion dem Marktpreis so anzupassen, dass die Einnahmen auf hohem Niveau stabilisiert werden. Also, wenn der Marktpreis fällt, die Produktion erhöhen und damit teurere Grenzanbieter aus dem Geschäft drängen", so der Mainsky-Experte.

Am Ende dieses Prozesses könnten die arabischen Ölländer und einige Ölmultis die Einzigen sein, die dank stark erhöhter Förderung ihre Einnahmen halten können. Für die Weltwirtschaft bedeutet das, dass eine konjunkturelle Erholung durch die zunächst niedrigen Ölpreise zusätzliche Unterstützung erhalten könnte. "Gleichzeitig aber dürfte der kostenintensive Teil des Ölsektors massiv unter Druck bleiben", prognostiziert Rosenstock. (fp)