Mitte kommenden Jahres dürften sich die Aussichten für die Wirtschaft deutlich aufgehellt haben, schätzt Olivier de Berranger, Investmentchef von La Financière de l’Échiquier (LFDE). "Die Verabreichung der ersten Impfstoffe wird zunächst das Tempo der Ansteckungen verringern und sie dann hoffentlich ganz verhindern", sagt er. Zugleich dürften Regierungen die Wirtschaft in dieser schwierigen Phase weiterhin unterstützen und neue Konjunkturpakete schnüren, um die Erholung zu beschleunigen. "Die Staatsausgaben werden folglich steigen", sagt de Berranger. Auch die Liquidität vonseiten der Notenbanken bleibt voraussichtlich hoch.

Die Gefahr, dass die Corona-Krise die Konjunktur zum wiederholten Mal einbrechen lässt, ist also überschaubar. Gefahr sieht der LFDE-Manager anderswo: "Die Aussichten könnten durch das längerfristige politische Risiko getrübt werden, denn es herrscht ein Misstrauen gegenüber den traditionellen Parteien", warnt er. Diese ungesunde Skepsis könnte sogar noch zunehmen, denn die Pandemie verschärft soziale Ungleichheiten. Überdies haben nicht alle Regierungen in jeder Phase der Pandemie ein gutes Krisenmanagement gezeigt. "Die nächsten Wahlen werden ein gutes Barometer für den derzeit anschwellenden Populismus sein", so de Berranger.

Anleger bleiben auf dem Boden der Tatsachen
Einige Marktbeobachter befürchten angesichts der Kurssteigerungen im laufenden Jahr, dass sich die Märkte von der Realwirtschaft entkoppelt haben. Dieses Risiko sieht der LFDE-Experte nicht. Zwar sei die wirtschaftliche Lage komplex und die Krise, die derzeit zu beobachten ist, die schwerste der Nachkriegszeit. "Doch es gilt zu verstehen, dass sich die zeitliche Dimension der Realwirtschaft und der Kurse von Finanzwerten strukturell unterscheiden." An der Börse wird auf die Zukunft spekuliert, nicht auf die Gegenwart. "Daher kommt es häufig zu einer vermeintlichen Entkopplung", erklärt de Berranger. (fp)