Eine grundsätzlich wünschenswerte Vereinfachung der Kündigungsfristen im Versicherungsvertragsgesetz droht im Wahlkampfgetöse unterzugehen: Ein von den Abgeordneten Michaela Steinacker (ÖVP) und Johannes Jarolim (SPÖ) eingebrachter Änderungsantrag für das Versicherungsvertragsgesetz sorgt bei Peter Kolba, Verbraucherschutzbeauftragter der wahlkämpfenden Liste Pilz, für Unmut.

Die Aufregung betrifft den §191 Abs. 19 Z 1: Es ist vorgesehen, dass das Rücktrittsrecht einer kapitalbildenden Lebensversicherung auf jeden Fall einen Monat nach vollständiger Vertragserfüllung erlischt, auch wenn die Rücktrittsbelehrung möglicherweise fehlerhaft war. Damit würde das jetzt bestehende unbegrenzte Rücktrittsrecht (auch nach Rückkauf oder Ablauf der Versicherung) abgelöst, das den Kunden bisher zustand.  

Altverträge müssten Rücktritt bald anmelden
Die neuen Paragrafen würden – so sie beschlossen werden – für alle Verträge gelten, die ab 23. Februar 2018 (in manchen Fällen erst ab Jänner 2019) geschlossen werden. Betroffen sind aber auch Altverträge: Wer nämlich tatsächlich von seinen Rechten nach altem Schema Gebrauch machen wollte, müsste einen Rücktritt noch anmelden, bevor die neuen Regeln (im Februar 2018 oder 2019) in Kraft treten, wie es aus dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) heißt.

Derzeit ist es so, dass Konsumenten, die mit ihrer Lebensversicherung nicht zufrieden sind – auch wenn sie Jahrelang Prämien einbezahlt haben – einen Formfehler geltend machen können (falsche oder fehlende Aufklärung über Rücktrittsrechte), um von ihren Verträgen zurücktreten und die einbezahlten Beträge zurückzufordern. EuGH und OGH stützten bei Falschbelehrung die unbegrenzte Rücktrittsmöglichkeit.

Laut Kolba, der den Änderungsantrag kritisiert, soll der Beschluss noch vor der Nationalratswahl am 15. Oktober im Parlament gefällt werden. Auch der Wiener Rechtsanwalt Norbert Nowak moniert in einer Aussendung, dass der Abgeordnete Jarolim als Anwalt Versicherungsunternehmen vertrete und durch das Gesetz "Millionen von Versicherungsnehmern" um Milliarden Euro gebracht würden.

7.400 Ausstiegswillige bei VKI
Diese Zahlenbasis ist fraglich. Beim VKI haben sich in einer Sammelaktion rund 7.400 rücktrittswillige Personen gemeldet. Deren Lebensversicherungsverträge müssen nun erst einmal geprüft werden, wie ein Mitarbeiter zu FONDS professionell ONLINE sagte. Die Meldefrist für die Aktion endet Mitte September. Man befinde sich in Vergleichsgesprächen mit den Versicherern. Bisherige Angebote waren meist nicht zufriedenstellend, wie es heißt. Sollte es zu keiner Einigung kommen, werde man eine Sammelklage vorbereiten, sagte der VKI-Experte.

Die Konsumenten hatten de facto seit Jahren Zeit, einen Vertrag aufgrund von Formfehlern anzufechten, es ist daher fraglich, ob die Gesetzesänderung tatsächlich den vermuteten schmerzlichen Einschnitt bringen würde. Aus Sicht der Versicherungen würde der Änderungsantrag jedenfalls Rechtssicherheit schaffen, weil er einen möglichen Rücktritt auf spätestens ein Monat nach Vertragsende begrenzt.

Der Änderungsantrag sieht allgemein vor, dass die in mehreren Paragrafen festgeschriebenen Kündigungsfristen zusammengezogen und vereinheitlicht werden. Ein Versicherungsnehmer kann demnach generell innerhalb von 14 Tagen, bei Lebensversicherungen innert 30 Tagen, ohne Angabe von Gründen zurück treten. (eml)