Der US-amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff ist seit 1999 Professor an der Harvard University und war von 2001 bis 2003 Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF). Lesen Sie im Anschluss seinen aktuellen Original-Kommentar.


Sind die Zentralbanken der Schwellenländer zu stark in Dollar und zu schwach in Gold investiert? Angesichts einer abflauenden Weltwirtschaft, in der diese Länder wahrscheinlich schon dankbar sind, wenn sie überhaupt Reserven haben, scheint der Zeitpunkt für diese Frage schlecht gewählt. Aber einiges deutet darauf hin, dass ein stärkeres Engagement der Schwellenländer in Gold allen nützen würde und dazu beitragen könnte, dass das internationale Finanzsystem besser funktioniert.

Vorweg möchte ich klarstellen, dass ich nicht zu denen gehöre, die – wie die Verrückten der äußersten amerikanischen Rechten – zum Goldstandard zurückkehren möchten, wo die Länder den Wert ihrer Währungen am Goldpreis ausrichten. Immerhin hat dieser Goldstandard in den 1930ern zum letzten Mal für eine Katastrophe gesorgt, und es gibt keinen Grund zu glauben, dass es diesmal anders kommen würde.

Nein, ich schlage nur vor, dass die Schwellenländer einen erheblichen Anteil ihrer Billionen Dollar an Fremdwährungsreserven (allein China verfügt über offizielle Reserven von 3,3 Billionen Dollar) in Gold reinvestieren. Sogar eine Umschichtung von, sagen wir, zehn Prozent ihrer Reserven in Gold würde sie nicht annähernd in die Nähe der vielen reichen Länder bringen, die 60 bis 70 Prozent ihrer (zugegeben kleineren) offiziellen Reserven in Gold halten.

Seit einiger Zeit argumentieren die reichen Länder, es sei im Interesse aller, Gold zu demonetisieren. Natürlich besitzen wir eine Menge Gold, sagen diese Länder, aber dies ist ein Erbe des Goldstandards von vor dem Zweiten Weltkrieg, als die Zentralbanken eine solche Reserve benötigten.

In der Tat trafen die europäischen Zentralbanken im Jahr 1999, als sie keinen Grund mehr für den Besitz einer solchen Menge Goldes sahen, ein Abkommen zum geordneten Abbau ihrer Vorräte. Für die meisten der teilnehmenden Länder machten diese Verkäufe Sinn: Die wirklichen Sicherheiten für ihre Schulden bestanden in der Besteuerungsmacht ihrer Regierungen, ihrem hohen Niveau institutioneller Entwicklung und ihrer relativ sicheren politischen Stabilität. Das Abkommen von 1999 wurde von Zeit zu Zeit wieder aufgegriffen, obwohl die meisten reichen Länder nach der jüngsten Auflage 2014 eine lange Pause gemacht haben und so immer noch über extrem hohe Goldreserven verfügen.

Die Schwellenländer traten weiterhin als Goldkäufer auf, aber eher im Schneckentempo, verglichen mit ihrem unersättlichen Appetit auf US-Staatsanleihen und andere Schuldscheine der reichen Länder. Im März 2016 hielt China nur etwas mehr als zwei Prozent seiner Reserven in Gold, und in Indien lag der Anteil bei 5%. Das einzige große Schwellenland, das seine Goldkäufe deutlich ausgeweitet hat, ist Russland. Auch aufgrund der Sanktionen des Westens beträgt dort der Goldanteil an den Reserven nun fast 15 Prozent.

Die Schwellenländer halten Währungsreserven, da sie nicht über die luxuriöse Möglichkeit verfügen, sich aus einem finanziellen Engpass oder einer Staatsschuldenkrise heraus zu inflationieren. Einfach gesagt, sie leben in einer Welt, in der ein großer Teil der internationalen Schulden – und ein noch größerer Teil des weltweiten Handels – immer noch in harter Währung vonstatten geht. Also halten sie Reserven solcher Währungen als Sicherheit gegen Haushalts- und Finanzkatastrophen. Natürlich wäre es im Prinzip eine viel bessere Welt, wenn die Schwellenländer – vielleicht durch eine Einrichtung des Internationalen Währungsfonds – ihre Ressourcen irgendwie vereinigen könnten. Aber das Vertrauen, dass für eine solche Vereinbarung nötig wäre, ist einfach noch nicht da.

Warum würde das System mit einem größeren Anteil von Goldreserven besser funktionieren? Das Problem beim Status Quo ist, dass die Schwellenländer als Gruppe um die Anleihen der reichen Länder miteinander konkurrieren, was dazu beiträgt, dass die von ihnen erzielbaren Zinsen sinken. Angesichts von Zinssätzen nahe Null können die Anleihepreise der reichen Länder nicht weiter fallen als bereits geschehen, während das Angebot dieser Schulden durch die Besteuerungskapazität und Risikotoleranz begrenzt ist.

Trotz seines fast völlig festen Angebots hat Gold dieses Problem nicht, da sein Preis unbegrenzt ist. Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass Gold eine extrem risikoarme Anlage ist, die Durchschnittsrealrenditen etwa in Höhe derjenigen von kurzfristigen Anleihen erzielt. Und da Gold eine sehr flüssige Anlageform ist – ein Schlüsselkriterium für eine Reserveanlage – können es sich die Zentralbanken leisten, über seine kurzfristige Volatilität hinaus auf längerfristige Durchschnittsrenditen zu schauen.

Natürlich werden auf Gold keine Zinsen gezahlt, und es verursacht Lagerkosten. Aber diese Kosten können relativ effizient gehandhabt werden, indem das Gold im Ausland gelagert wird (viele Länder deponieren ihr Gold bei der New York Federal Reserve); und mit der Zeit kann der Preis steigen. Dies ist der Grund dafür, dass dem System als Ganzem niemals das monetäre Gold ausgeht.

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, die Schwellenländer könnten durch einen Wechsel zum Gold irgendwie auf Kosten der Industrieländer profitieren. Immerhin ist es momentan so, dass die Zentralbanken und Staatskassen der Industrieländer viel mehr Gold halten als die Schwellenländer, und eine systematische Umschichtung der Schwellenländer sollte zu höheren Preisen führen. Aber dies ist kein systemisches Problem, und tatsächlich würde ein Anstieg der Goldpreise einen Teil der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach sicheren Anlagen schließen, die aufgrund niedriger Zinsen entstanden ist.

Es gab nie einen überzeugenden Grund dafür, dass sich die Schwellenländer dem Ziel der Industriestaaten – der vollständigen Demonetarisierung von Gold – anschließen. Und auch heute gibt es keinen.

© Project Syndicate, www.project-syndicate.org