Die Finanzmarktteilnehmer orakeln darüber, wann und wie stark die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank die Leitzinsen senken werden – oder ob überhaupt. Manche Währungshüter haben dagegen die ersten Schritte schon eingeleitet. Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst von HQ Trust, hat die Entscheidungen bedeutender Notenbanken ausgewertet.

"Während Japan jüngst erst damit begann, die Zinsen zu erhöhen, hatte das Warten auf sinkende Zinsen in anderen Regionen bereits ein Ende", berichtet Kielkopf. "In einigen Ländern Lateinamerikas und Europas haben die Notenbanker die Leitzinsen schon gesenkt." Konkret sei das bereits in Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru sowie in Polen, Tschechien, Ungarn und der Schweiz der Fall gewesen.

Früher eingeschritten
Die Gründe für diese Schritte sieht Kielkopf in der Entwicklung der Teuerungsraten in den jeweiligen Regionen. "Um die Währung stabil zu halten, erhöhen die Zentralbanken der Schwellenländer bei steigenden Inflationsraten meist recht zügig die Zinsen", berichtet der Experte. So sei etwa in Brasilien die Inflation bereits ab Sommer 2020 spürbar angezogen. Als die Zentralbank im Februar 2021 begann, die Zinsen anzuheben, stand die Inflation bei fünf Prozent. "Im April 2022 erreichte sie mit zwölf Prozent ihr Maximum und kam seitdem wieder deutlich zurück", so Kielkopf. Bei der ersten Zinssenkung im August 2023 lag die Inflation nur noch bei 4,5 Prozent.

Ähnlich sei die Lage auch in Osteuropa. "In den osteuropäischen Ländern fielen die durch den Ukraine-Krieg verursachten Inflationssteigerungen deutlich stärker aus, weshalb die eigenständigen Zentralbanken bereits früh damit begannen, die Zinsen zu erhöhen", berichtet Kielkopf. Im Mittel hätten die Zentralbanken der neun untersuchten Länder den Leitzins für zwölf Monate auf dem Maximum gehalten, bevor sie wieder damit anfingen, ihn zu senken. "Dies entspricht auch ungefähr dem Zeitpunkt, wenn von der EZB und Fed die ersten Zinssenkungen erwartet werden", so der HQ-Trust-Mann. (ert)