Auch wenn US-Aktien seinen pessimistischen Prognosen für 2023 bisher widerstanden haben, bekräftigt Marko Kolanovic, Top-Marktstratege von JP Morgan Chase, seine defensive Sichtweise. Faktoren wie die sich verschlechternden Geschäftsbedingungen und die nachlassende Konsumnachfrage deuteten auf einen Abschwung hin, der die diesjährige Rally zunichte machen könnte.

"Ohne eine präventive Lockerung durch die Fed – im Gegensatz zu den Fed-Dots, die zwei weitere Erhöhungen bis zum Jahresende implizieren – erwarten wir ein schwierigeres makroökonomisches Umfeld für Aktien im zweiten Halbjahr", erläuterte Kolanovic am Donnerstag (22.6.) in seinem Halbjahresausblick.

Risiko eines weiteren "unknown Unknown" erscheint hoch
Der Anstieg der Multiplikatoren und die erodierende Preissetzungsmacht sorgten für unattraktive Risikoprämien bei US-Aktien. Ein weiterer Grund zur Sorge sei die "zunehmende Sorglosigkeit der Anleger" im Vorfeld einer möglichen Rezession. "Kurz gesagt, das Risiko, dass ein weiteres 'unknown Unknown' auftaucht, erscheint hoch", so Kolanovic.

An der Wall Street ist eine zunehmende Divergenz der Ansichten zu verzeichnen. Einige von Kolanovics Kollegen haben ihre düsteren Prognosen in den letzten Wochen zurückgenommen, während andere risikoscheu bleiben. David Kostin von Goldman Sachs und Savita Subramanian von der Bank of America gehören zu einer wachsenden Zahl von Strategen, die ihre Prognosen für den S&P 500 nach der US-Aktienrally in der ersten Hälfte des Jahres 2023 angehoben haben. Ebenso wie Kolanovic hat auch Mike Wilson von Morgan Stanley seine pessimistische Haltung bekräftigt.

Deutliches Plus seit Jahresbeginn
Die Erholung der US-Aktien ist in den letzten Tagen ins Stocken geraten, während die Anleger über die weitere Zinsentwicklung nachdenken. Dennoch liegt der S&P 500 seit Jahresbeginn immer noch rund 14 Prozent im Plus.

Kolanovic war einer der größten Bullen an der Wall Street während eines Großteils der Marktturbulenzen im Jahr 2022, hat jedoch aufgrund der sich verschlechternden Konjunktur in diesem Jahr eine Kehrtwende vollzogen und die Modellaktienallokation der Bank Mitte Dezember, im Januar, im März und im Mai reduziert. (mb/Bloomberg)