Die Bewertungsdivergenzen zwischen europäischen und US-amerikanischen Aktien bieten Potenzial. Davon ist Tilmann Galler überzeugt, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

"US-Aktien haben in den letzten Monaten ein Kursfeuerwerk hingelegt, vor allem das Thema künstliche Intelligenz war ein wesentlicher Wachstumstreiber", sagt er. In Europa sei der KI-Effekt deutlich weniger spürbar gewesen. "Selten ist der 'Discount' von europäischen gegenüber US-Aktien so groß wie aktuell gewesen", führt der Marktexperte aus. Der Abschlag sei in vielen verschiedenen Aktiensektoren zu beobachten. Bei europäischen Aktien wittert Galler daher noch Chancen, während das Kurs-Gewinn-Verhältnis weltweit eher hoch erscheine. "Zwar sehen wir ein noch positives Gewinnumfeld, doch die Frage ist, was bereits eingepreist ist", sagt er. Die höheren Bewertungen dürften daher die langfristigen Erträge schmälern.

Neue Inflationsrisiken
Als ein wesentliches Risiko für die Kapitalmärkte sieht Galler die hartnäckige Inflation, vor allem in den USA. Dort stieg die Teuerungsrate von 3,2 Prozent im Februar auf 3,5 Prozent im März. Damit könnte noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein, befürchtet der Anlagestratege: "Die jüngste Ölpreisentwicklung baut neuen Preisdruck auf. Dies liegt zum einen an der steigenden Nachfrage, aber auch an politischen Risiken wie dem Nahost-Konflikt." Zudem sieht er in einigen Bereichen der US-Wirtschaft stärkere inflationäre Tendenzen, etwa im Bekleidungssektor oder auch bei Autoversicherungen.

Angesichts der weiter beharrlichen Inflation stelle sich die Frage, wie die Zentralbanken darauf reagieren. Mittlerweile erwarten die Marktteilnehmer von der US-Notenbank Fed nur noch zwei Zinssenkungen im laufenden Jahr, deutlich weniger als noch vor einigen Monaten. Galler rechnet allerdings nichtsdestotrotz damit, dass die Zinswende kommt: "Auch wenn die Inflation nur langsam zurückgeht, wird es genug sein für die Fed für eine erste moderate Lockerung", sagt er. (fp)