Es ist noch gar nicht so lange her, da hielt Jens Ehrhardt einen Dax-Stand von 17.000 Punkten durchaus für möglich. Doch mit diesem Optimismus ist es nun erst einmal vorbei, wie der Gründer und Vorstandschef des Vermögensverwalters DJE Kapital in einem Interview mit dem "Handelsblatt" deutlich machte. 

Die Konjunktur sehe nicht so schlecht aus, sagte er. "Und bis vor Kurzem glaubten wir ja, die deutsche und die europäischen Börsen könnten 2022 einmal besser abschneiden als die Wall Street", erklärte Ehrhardt. Jetzt aber gebe es mit den Folgen des Ukraine-Krieges und der Gefahr bei der Gasversorgung mächtig Gegenwind. "Bei einem Gas-Lieferstopp wäre sogar ein Dax-Sturz auf 10.000 Punkte möglich", glaubt der erfahrene Investmentprofi. 

Als Produktionsstandort künftig weniger wettbewerbsfähig
Die Zukunft der deutschen Wirtschaft sieht Ehrhardt skeptisch. Deutschland sei insgesamt zu stark auf klassische Branchen und alte Industrien ausgerichtet. Es fehle an der nötigen Innovationsstärke. Außerdem werde das billige russische Gas in den nächsten vier Jahren nicht zu ersetzen sein. "Flüssiggaskapazitäten aufzubauen wird uns nach Schätzungen eine Billion Euro kosten", sagte Ehrhardt. Als Produktionsstandort werde Deutschland teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. 

Darüber hinaus wirke sich die De-Globalisierung negativ aus. "Seit der Euro-Einführung haben wir unsere Exportquote auf 50 Prozent verdoppelt", erläuterte Ehrhardt. Diesen Anteil sieht er nun schrumpfen. "Wir gehen in Deutschland sehr schweren Zeiten entgegen", so seine Prognose.

Fed hat zu spät reagiert
Die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hält der DJE-Chef für einen Fehler. Die Fed habe viel zu spät und dann zu heftig auf den Inflationsanstieg reagiert, kritisierte er. Sie mache damit den "vielleicht größten Politikfehler in der Nachkriegszeit". Da der chinesische Markt aufgrund eigener Konjunkturprobleme aktuell keine Alternative zu Aktien deutscher oder anderer europäischer Unternehmen biete, bleibe Investoren allerdings fast zwingend nur die Ausrichtung auf die USA.

"Man kann aber hoffen, dass dort die Notenbank schneller lockert und damit die Börse beflügelt, als jetzt noch manche Experten glauben. Mehr als jeder zweite Amerikaner hat schließlich Aktien", sagte Ehrhardt dem "Handelsblatt". Die Pensionskassen investierten auch mehr in Aktien. Daher komme der Notenbank eine besondere Verantwortung zu. "Bis zu den wichtigen US-Zwischenwahlen im November würde ich auf diese Wende aber nicht wetten", so Ehrhardt. (am)