June-Yon Kim, leitender Portfoliomanager für japanische Aktien bei Lazard Asset Management, traut Tokios Börse in diesem Jahr ein deutliches Plus zu. Er lobt vor allem die Fortschritte mit Blick auf die Unternehmensführung und das Überwinden der langjährigen Deflation. "Die gezielte Auseinandersetzung mit Corporate-Governance-Praktiken hat in Japan vor zehn Jahren im Rahmen der 'Abenomics' begonnen und ist 2023 durch eine Initiative der Tokioter Börse neu belebt worden", sagt Kim. Die Initiative der Börse ermuntere Unternehmen, sich auf das Management der Kapitalkosten und die Kapitaleffizienz zu konzentrieren, und schaffe damit die Grundlage für eine nachhaltige Wertsteigerung.

Eine Folge davon sei der Anstieg von Management-Buy-Outs auf ein historisches Hoch, was Kim als gutes Signal wertet. "Denn die Kursaufschläge von teilweise mehr als 50 Prozent signalisieren, dass viele japanische Unternehmen noch unterbewertet sind", so der Portfoliomanager. Das wichtigste Zeichen für den Wandel in der japanischen Unternehmenswelt sei aber, dass die traditionsreiche Toyota Group ihre Überkreuzbeteiligungen reduziere. Dies "signalisiert eine klare Trendwende und ist ein gutes Zeichen für Anleger", meint der Experte.

Rückkehr der Inflation
Kim weist auf eine weitere große Veränderung hin: Nach Jahrzehnten der Deflation habe sich endlich die Inflation in Japan durchgesetzt. Die Bedeutung dieser Entwicklung könne für das langfristige Potenzial des japanischen Aktienmarktes gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Noch halte die Bank of Japan zwar an ihrer bisherigen Geldpolitik fest, einschließlich einem negativen Leitzins. Im April könne sich der geldpolitische Kurs jedoch wesentlich ändern, und zwar dann, wenn bis dahin bei den Tarifverhandlungen im Frühjahr deutlich geworden sei, dass die Inflation nicht nur durch äußere Schocks bedingt, sondern strukturell sei.

"Diese Trendwende von der Deflation zur Inflation ist enorm wichtig für den japanischen Markt, weil das Verhalten von Haushalten und Unternehmen in den letzten 30 Jahren von einem deflationären Mindset geprägt war. Seit dem Platzen der Preisblase im Jahr 1992 wurde sehr zurückhaltend konsumiert und investiert", sagt Kim. Ein Gesinnungswandel könne diese Konsum- und Investitionszurückhaltung durchbrechen und enorme Auswirkungen auf den Aktienmarkt und die japanische Volkswirtschaft haben.

Gute Aussichten
Der Lazard-Manager möchte zwar nicht ausschließen, dass der japanische Markt in der ersten Jahreshälfte 2024 noch "stolpert". "Die äußerst positiven strukturellen Entwicklungen in Japan erlauben jedoch eine optimistische Prognose", resümiert Kim. "Jetzt ist aus unserer Sicht ein günstiger Zeitpunkt für Anleger, ihre Portfoliogewichtung zu überprüfen und die langfristigen Chancen auf dem japanischen Aktienmarkt zu ergreifen." (fp)