Der jahrelange Wirtschaftsboom in den aufstrebenden Volkswirtschaften des Planeten hat auch seine Schattenseiten. Neben verheerenUmweltzerstörungen zählt der Internationale Währungsfonds auch ein relativ neues Phänomen zu den Wachstumsrisiken: der stete Strom einheimischen Kapitals, das die betroffenen Länder verlässt. Verantwortlich dafür ist letztlich die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Vorkrisenjahre, berichtet die "Welt".

Eine lange Phase der marktwirtschaftlichen Öffnung und wachsender Wohlstand haben dafür gesorgt, dass sich in den Schwellenländern erstmals große Mittelschichten gebildet haben. Gleichzeitig, so zitiert die Zeitung aus einem noch unveröffentlichten IWF-Bericht, hat sich dort auch eine zahlenmäßig sehr große Schicht von Superreichen entwickelt, die ihre Vermögen auf mehr oder weniger sauberen Wegen angehäuft haben. In China beispielsweise gibt es heute mehr Milliardäre als in jedem anderen Land der Welt.

Neureiche schaffen Geld ins Ausland
Doch die unverhofft Wohlhabenden scheinen der künftigen Konjunkturentwicklung im eigenen Land offenbar nicht allzu sehr zu trauen. In den Schwellenländern, so der IWF, schaffen die besonders Vermögenden seit Beginn des wirtschaftlichen Abschwungs Anfang 2010 große Teile ihres Geldes aus ihren Heimatländern, um es im Ausland anzulegen. "Diese Kapitalabflüsse bergen erhebliche Risiken, sind aber noch nicht ausreichend verstanden", warnen die Autoren des Papiers.

Die Motive für die Kapitalflucht dürften unterschiedlich sein: der Wunsch nach Risikostreuung beispielsweise oder die Angst vor einem Kollaps des heimischen Bankensystems. In vielen Fällen dürfte es sich um Gelder handeln, die in Sicherheit gebracht werden sollen, weil der eigene Staat wenig berechenbar und verlässlich ist – oder häufig, weil beides zutrifft.

Industrieländer nicht immun
In der Regel aber, so die "Welt", wird die Suche nach lukrativeren Anlagemöglichkeiten die wohlhabenden Bürger aus ihren eigenen Währungen treiben. So entsteht ein Teufelskreis: Denn dadurch könnten sich die Aussichten der betroffenen Volkswirtschaften noch weiter verdüstern.

Diese Entwicklung sollte auch wohlhabende Industrieländer wie Deutschland und die USA alarmieren, warnen die Autoren des Berichts, der Teil des noch unveröffentlichten IWF-Weltwirtschaftsausblicks ist. Grund: Schwellenländer wie China und Brasilien sind nach jahrzehntelanger wirtschaftlicher Öffnung und Globalisierung heute weit stärker als früher in die Weltwirtschaft eingebunden. Die "internationalen Wechselwirkungen sind heute gewaltsamer spürbar", warnen die Autoren. (ps)