Der Goldpreis hat seit Jahresbeginn eine beachtliche Rally hingelegt. Dennoch könnte es sich für Anleger nach wie vor lohnen, über ein strategisches Engagement in dem Edelmetall nachzudenken, meint Ursula Marchioni, iShares-Chefstrategin für die Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) bei Blackrock. Im Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE geht sie nicht nur auf die Qualitäten von Gold als sicherer Hafen ein, sondern auch auf die positiven Effekte, was die Diversifikation des Portfolios anbelangt. (bm)


Schon seit Jahresbeginn sind die Finanzmärkte erheblichen Schwankungen ausgesetzt. Sorgen um das Wachstum der Weltwirtschaft, politische Ereignisse und Fragen rund um die nächsten Schritte der Zentralbanken verstärken das allgemeine Gefühl der Verunsicherung. Gegenwärtig legen Anleger jede Äußerung eines Mitglieds der US-Notenbank Fed auf die Goldwaage, während die Fed ihrerseits jede Datenreihe zur volkswirtschaftlichen Entwicklung in den USA und anderswo mit Argusaugen verfolgt. Obwohl die Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft in den USA im Juni nach schwachen Vormonatszahlen wieder rasant gestiegenen sind, sahen die Währungshüter im Juli davon ab, an der Zinsschraube zu drehen. Ursächlich hierfür war auch das Brexit-Votum der Briten, das die globalen Wachstumserwartungen dämpft.

In diesem Umfeld haben viele Anleger im langjährigen Vergleich hohe Barbestände angehäuft. Zudem gibt es im laufenden Jahr bislang nur wenige Anlageklassen, die bei ihnen durchgängig hoch im Kurs stehen. Unsere Analyse der Kapitalströme bei börsengehandelten Produkten (Exchange-Traded Products, ETPs) zeigt, dass Gold zu den wenigen Anlageklassen gehört, denen in den ersten sechs Monaten kontinuierlich Kapital zugeflossen ist. Besonders augenfällig war das während des Markteinbruchs zu Jahresbeginn, als die Korrelation von Gold mit dem Volatilitätsindex für US-Aktien (Vix) auf ein Achtjahreshoch kletterte.

Schon jetzt ein neuer Jahresrekord
Nach den starken Käufen von Gold-ETPs im Januar und Februar flaute das Interesse an ihnen im März und April zugunsten risikoreicherer Anlagen vorübergehend ab. Aber schon im Mai waren sie wieder gefragt bei Anlegern, die Gold und festverzinslichen Investments den Vorzug vor Aktien gaben. Im Anschluss an die starken Kapitalzuflüsse in Gold im Mai standen physische Gold-Fonds und ETPs auf Goldminenaktien im Juni ganz oben auf den Kauflisten der Anleger, die hierüber weitere 5,4 Milliarden US-Dollar in Gold-Investments anlegten. Damit summiert sich der Mittelzufluss in Gold-ETPs in diesem Jahr bislang auf 22 Milliarden US-Dollar. Das ist schon jetzt ein neuer Jahresrekord, wobei die Mittelzu- und -abflüsse für den Rest des Jahres noch nicht eingerechnet sind. 2009 wurde mit 17 Milliarden Dollar der bisherige Höchststand bei den Kapitalzuflüssen in Gold-ETPs in einem Jahr gemessen. Die Mittelzuflüsse in Anleihen-ETPs sind zur Jahresmitte ebenfalls auf dem besten Weg, einen neuen Rekord aufzustellen.

Grund für das Interesse an Gold-Investments ist nicht nur, dass es traditionell als Wertspeicher in unsicheren Zeiten gefragt ist. Auch die Erwartungen an die Zinspolitik der US-Notenbank, die inzwischen weit "gemäßigter" als noch zu Jahresbeginn ausfallen, scheint die Nachfrage anzufachen. Im Zuge dessen ist der Goldpreis wieder über 1.300 Dollar je Feinunze gestiegen. Und da sich die Inflation in den USA beschleunigen könnte, dürfte Gold weiter hoch im Kurs stehen. Denn Anleger schätzen das Edelmetall als Schutz vor Geldentwertung, auch wenn seine Wirksamkeit in dieser Hinsicht mitunter fraglich ist. Die neuerliche Nagelprobe für diese Theorie könnte schon bald kommen. Denn in Amerika steigen die Preise auf breiter Front, wie nicht zuletzt der Verbraucherpreisindex belegt.

Gold ist ein guter Diversifikator
Auch diverse politische Themen könnten im zweiten Halbjahr die Verunsicherung schüren. Dazu gehören die nicht verstummenden Sorgen über das Wachstum der Weltwirtschaft, die vor allem dann lauter werden dürften, wenn die US-Konjunktur ins Stocken gerät. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass Anleger das Vertrauen in die Wirksamkeit der Zentralbankmaßnahmen wie die quantitative Lockerung verlieren. Sich gegen die damit verbundenen Schwankungen abzusichern, dürfte für jedes Portfolio unverzichtbar bleiben. Für Anleger könnte es sich daher aus unserer Sicht auch nach dem kräftigen Goldpreisanstieg seit Jahresbeginn durchaus weiterhin lohnen, über ein strategisches Engagement in dem Edelmetall nachzudenken. Hierfür sprechen seine Qualitäten als sicherer Hafen und dass es ebenso wie viele andere alternative Anlageklassen dazu beiträgt, die Diversifikation des Portfolios zu verbessern.

Unlängst haben wir diverse alternative Investments analysiert und sind der Frage nachgegangen, welche von ihnen gute Diversifikatoren und aus Risiko-Rendite-Sicht für ein Portfolio vorteilhaft sein könnten. Beispielhaft haben wir eine Standard-Allokation von 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen über den Zeitraum der vergangenen acht Jahre untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass eine optimale Kombination mit Gold und Rohstoffen im Allgemeinen die Volatilität eines Portfolios reduziert, während eine Kombination mit Gold und anderen Edelmetallen ein noch effizienteres Portfolio mit geringerem Risiko und höheren Erträgen ergibt.

Unsere Analyse zeigt, wie vorteilhaft ein Engagement in alternativen Anlageklassen für ein solches Portfolio war, in dem Gold und generell Rohstoffe im langjährigen Vergleich am stärksten zur Diversifikation beigetragen haben. Trotz des Preisanstiegs der vergangenen Monate wird Gold unserer Einschätzung nach ein gesuchtes Investment bleiben, wofür seine Qualitäten als Diversifikator und, möglicherweise, seine positiven Effekte auf das Risiko-Rendite-Profil sprechen.