Seit fünf Monaten klettert der deutsche Leitindex Dax stetig und ohne größere Rückschläge. Das gibt so manchem Marktbeobachter Rätsel auf. Kornelius Purps, Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Antea, überlegt, ob die Erklärung nicht vielleicht ganz einfach ist. Möglicherweise steckt hinter dem anhaltenden Kursanstieg eine Jackentaschen-Rally.

Der Dax hat im ersten Quartal 2024 insgesamt 26 Mal auf einem neuen Allzeithoch geschlossen. Zum Ende des Börsenquartals wies der Index ein Plus von mehr als zehn Prozent seit Jahresbeginn aus. Die seit Anfang 2024 zurückgegangenen Erwartungen von Zinssenkungen konnten dem Börsenbarometer nichts anhaben. 

Aus der Manteltasche an den Aktienmarkt
"Vermutlich fand ein Teil der Restbestände an zwölf Milliarden D-Mark aus irgendwelchen Manteltaschen seinen Weg in den Aktienmarkt", meint Purps. Denn auch aus konjunktureller Sicht hätte das erste Quartal durchaus schlechter laufen können.

Aktualisierten Daten zufolge befinden sich sowohl Deutschland als auch die Eurozone seit dem zweiten Halbjahr 2023 in einer technischen Rezession. Und für das laufende Jahr haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognose für Deutschland erst kürzlich von 1,3 Prozent auf mickrige 0,1 Prozent reduziert. 

Prinzip Hoffnung
Treibende Kraft hinter den Aktienkursgewinnen der vergangenen Monate war Purps zufolge in Deutschland die Hoffnung auf bald steigende Unternehmensgewinne. "Der jüngste Anstieg im Ifo-Geschäftsklimaindex liefert etwas Nahrung, dass aus erhofften Gewinnsteigerungen im weiteren Jahresverlauf tatsächliche Gewinnzuwächse werden könnten", erklärt er. 

Historisch betrachtet sei ein starkes Auftaktquartal nicht zwingend ein Hinweis auf eine bevorstehende Aktienmarktkorrektur, erläutert der Kapitalmarktstratege. 23 Mal konnte der Dax seit 1988 im ersten Quartal zulegen, 16 Mal folgte anschließend ein positives zweites Quartal und ebenfalls 16 Mal verbuchte der Index in den neun Monaten bis Jahresende weitere Kursgewinne. Auch fünf Gewinnmonate hintereinander, wie zuletzt zwischen November 2023 und März dieses Jahres gesehen, seien nicht zwangsläufig ein Vorbote einer negativen Kursentwicklung.

Extrem geringe Korrekturanfälligkeit
"Wirklich außergewöhnlich an der derzeitigen Dax-Rally ist weniger deren Dauer und Ausmaß, sondern vielmehr ihre extrem geringe Korrekturanfälligkeit", meint Purps. Der stärkste Kursrückschlag seit Ende Oktober betrug auf Basis der Tagesschlusskurse nicht einmal 2,2 Prozent. "Eine derart stabile Aufwärtsentwicklung über einen so langen Zeitraum hat es in der Geschichte des Dax noch nie gegeben", so der Kapitalmarktstratege. 

"Fraglich ist allerdings, wie lange der Dax widerstandsfähig gegenüber einer Reihe von Belastungsfaktoren bleiben wird", sagt Purps. "Historisch betrachtet kann eine Kursrally durchaus länger als fünf Monate dauern. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist umso höher, je mehr Anleger ihre Ostereier in alten Jackentaschen suchen", schreibt er in einem Marktkommentar von Gründonnerstag. (am)