"Es ist interessant zu beobachten, wie stark die Erwartungen von Aktien- beziehungsweise Anleihemärkten auseinandergehen", schreibt Laurent Denize, Co-CIO bei Oddo BHF Asset Management in einem aktuellen Marktkommentar. Die Aktienmärkte freuten sich über die punktuelle Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen und die Fähigkeit der Unternehmen, sehr hohe Gewinnmargen aufrechtzuerhalten. Die Quartalsgewinne befänden sich auf Rekordkurs. Neben ermutigenden Konjunkturindikatoren stützten auch der niedrigere Ölpreis und ein schwächerer US-Dollar die Gewinne der meisten europäischen Unternehmen. Und in den USA sei angesichts der Belastungen im Bankensektor eine Pause bei den Zinserhöhungen zu erwarten.

An den Anleihenmärkten scheine man diese Begeisterung nicht zu teilen. Der wirtschaftliche Aufschwung sei auf bestimmte Sektoren beschränkt. Der Arbeitsmarkt dürfte bald an Dynamik verlieren. "Die Zinserhöhungen beginnen zu wirken, wie die Turbulenzen bei den US-Regionalbanken gezeigt haben. Der grundlegende Trend ist negativ, und das BIP-Wachstum dürfte in der zweiten Jahreshälfte sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern sehr schwach ausfallen", so Denize. Zusätzlich stelle das Tauziehen über die Anhebung der US-Schuldengrenze eine Belastung dar, da eine kurzfristige Einigung unwahrscheinlich scheint. Ebenso dürfte die Verschärfung der Kreditbedingungen in den kommenden Jahren zu einem starken Anstieg der Ausfallraten führen und die Aussichten für den Immobiliensektor trüben.

Vorsichtige Positionierung, aber kein Grund zur Panik
Denize teilt die Sicht der Anleihenmärkte. Die Unternehmensgewinne seien im Wesentlichen von den sehr guten Ergebnissen der US-Tech-Riesen und der Luxusgüterhersteller in Europa getrieben worden. Insgesamt lägen die Gewinne 13 Prozent über den Konsenserwartungen. "Dies dürfte der Schlussakt sein", meint der CIO und ergänzt: "Wir bleiben über alle Regionen hinweg bei unserer leicht verhaltenen Sicht auf globale Aktien. Gleichwohl scheint angesichts der zuletzt zu beobachtenden punktuellen Verbesserungen ein plötzlicher Konjunktureinbruch unwahrscheinlich. Wir sehen also keinen Grund zur Panik."

Anleger könnten in der aktuellen Situation einen Teil ihres Aktienportfolios verkaufen und im Gegenzug in kurzlaufende Hochzinsanleihen investieren, so Denize: "Hier bieten sich Renditen von 5,3 Prozent bei ausgezeichnetem Risiko-Ertrags-Verhältnis." Alternativ sollten Investoren darüber nachdenken, ihr Aktienportfolio teilweise über Put-Optionen abzusichern, die angesichts des jüngsten Rückgangs der Volatilität vergleichsweise günstig seien. (fp)