Die Inflation in Deutschland hat im Mai die Marke von 7,9 Prozent erreicht. Das geht aus vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Ähnlich schnell waren die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik zuletzt im Winter 1973/1974 gestiegen. Im April hatte die Steigerung zum Vorjahresmonat bei 7,4 Prozent gelegen.

"Ein Ende der Fahnenstange ist nicht abzusehen", sagt Jörg Zeuner, der Chefvolkswirt von Union Investment. "Denn die Preissteigerungen bei Rohstoffen und anderen Vorleistungsgütern werden von den Produzenten meist verzögert an die Konsumenten weitergegeben. Erst Monate später finden sie Niederschlag in den Preisen für nachgelagerte Güter und Dienstleistungen wie Flugtickets." Das verhindere einen schnellen Rückgang der Inflation.

Zeuner erwartet deshalb, dass das laufende Jahr noch länger von hohen Inflationsraten geprägt sein wird. "Erst ab Ende 2022 rechnen wir mit einem deutlichen Rückgang der Teuerung und ab Anfang 2024 mit Inflationsraten, die mit zwei bis 2,5 Prozent deutlich näher an der Zielmarke der Europäischen Zentralbank liegen." Dann sollten Nachfrage und Angebot besser in Einklang miteinander kommen, so seine Erwartung. "Für eine Entwarnung ist es also noch zu früh. Ein Umfeld anhaltend hoher Inflationsraten wie etwa in den 1970er Jahren ist allerdings unwahrscheinlich", meint der Union-Investment-Chefvolkswirt.

"Das Rezessionsrisiko ist erheblich"
"Für Verbraucher ist kurzfristig keine Entspannung in Sicht", sagt auch Michael Heise, der Chefökonom des Multi-Family-Offices HQ Trust. "Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Energiepreise und die Lieferengpässe durch Chinas Lockdown-Maßnahmen werden auch in den Folgemonaten das Preisklima belasten."

Heise zufolge hinkt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank der Entwicklung seit Monaten "meilenweit" hinterher. "Die Beendigung der Anleihekäufe und die voraussichtlich erste Zinssteigerung im Juli sind überfällig", sagt er. Sie müssten nun in einer Situation vorgenommen werden, in der die Wirtschaft sehr schwach sei. Er sieht die Teuerung als "Bremsklotz der Konjunktur" an. Die Entlastungspakete des Staates würden den Kaufkraftverlust der Verbraucher bei weitem nicht ausgleichen. "Das Rezessionsrisiko ist erheblich", mahnt er. (bm)