Mit Blick auf die angespannte Finanzlage in Italien warnt Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor "massiven politischen Konflikten" in Europa. Man könne Italien zwar mit Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank und wachsender versteckter Kreditvergabe lange liquide halten. "Allerdings wird irgendwann der Druck steigen, dem Land mit offenen Transfers zu helfen", so Fuest. Man könne nur hoffen, dass es Italien gelingt, seine Wirtschaft rasch zu reformieren und aus eigener Kraft höheres Wachstum zu erreichen.

Grundsätzlich hält Fuest die Staatsschuldenkrise in Europa nicht für abgehakt. Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Zypern seien zwar mit Milliardenbeiträgen vor dem Kollaps bewahrt worden. "Allerdings ist diese Rettung nur vorläufig", sagt Fuest: "Wir wissen nicht, ob hoch verschuldete Staaten wie etwa Portugal ihre Schulden zurückzahlen können." Im Fall Griechenlands sei die Bilanz der Rettungspolitik sicherlich verheerend: "Das Geld ist größtenteils verloren, gleichzeitig geht es der griechischen Bevölkerung schlecht."

Schuldenerlass wird verschleiert
Nach der Bundestagswahl werde es vermutlich erneut zu einem Schuldenschnitt für Griechenland kommen, erwartet Fuest – wenngleich dieser verschleiert werde: "Wenn die Zinsen gegen null tendieren und die Laufzeit immer länger wird, ist das gleichbedeutend mit einem Schuldenerlass." Es habe in den vergangenen Jahren bereits mehrere verdeckte Schuldenschnitte in Form von Zinssenkungen und Laufzeitverlängerungen gegeben.

Auch an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stößt sich Fuest – insbesondere, was ihre milliardenschweren Anleihekäufe anbelangt: Für die EZB werden es dadurch "immer schwerer, die Unabhängigkeit der Geldpolitik zu bewahren. Sie ist zu einem wichtigen Faktor für die Finanzierung der öffentlichen Haushalte geworden", sagt der Ökonom.

Grundsätzlich seien die Anleihekäufe aber regelkonform. "Immerhin verlangt die EZB, dass die nationalen Notenbanken für Verluste aus den Käufen der Staatsanleihen haften. Das ist ein Signal dafür, dass die Mitgliedstaaten das Kaufprogramm nicht als Solidarhaftung für Staatsschulden ansehen sollen." (fp/ps)