An der Börse ist es manchmal wie im Casino: Wenn es am schönsten ist, soll man heimgehen. Nach rund neun Jahre Hausse stellt sich für immer mehr Investoren die Frage, ob und in wie weit sich die Aktienmärkte aufgrund ihrer hohen Bewertung bereits in einer Blase befinden und wie groß die Gefahr des Platzens sei.

Eine Antwort darauf versucht HSBC Global Asset Management in einer aktuellen Markteinschätzung zu geben, die schlussendlich zur Empfehlung kommt, weiterhin in Aktien engagiert zu bleiben. Vor allem der Blick in die USA gibt Anlass zur Sorge. Immerhin liegt das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) mit gut 18 weit über dem historischen Durchschnitt. Gemessen am geglätteten Shiller-KGV wurde die aktuelle Bewertung von 30 sogar nur in den Boomphasen 2001 und 1929 übertroffen, heißt es in einer Kurzstudie.

Vier Kriterien beachten
"Allerdings steuert ein Aktienmarkt nicht allein aufgrund seiner Bewertung in eine Blase hinein, meint Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management Deutschland. Mindestens vier Kriterien seien ausschlaggebend: Neben der Bewertung zählt dazu die Euphorie unter Anlegern, die wenig oder gar keine Erfahrung mit Aktien haben. "Selbst in den USA ist die Börsenstimmung derzeit weit weniger positiv als in früheren Aufschwungphasen", hat Heger analysiert.

Zudem zeichneten sich Höhepunkte an Aktienmärkten häufig durch eine hohe Anzahl von Neuemissionen und Kapitalerhöhungen aus. Heger: "In den USA ist gegenwärtig eher das Gegenteil zu beobachten: Unternehmen kaufen ihre eigenen Aktien zurück."

Am wichtigsten sei seiner Ansicht nach der vierte Punkt: Kursentwicklung und fundamentale Wirtschaftsdaten laufen bei Blasen auseinander. Auch das sei derzeit nicht der Fall. "Die Stimmung der US-Konsumenten hat im März den höchsten Stand seit 17 Jahren
erreicht. Die Einkaufsmanagerindizes im Industrie- und Dienstleistungssektor befinden sich
seit Monaten im steigenden Trend deutlich über der kritischen Marke von 50. Der Gewinntrend der Unternehmen zeigt weiter nach oben", führt Heger aus.

Selbst in den USA ist mit der Bewertung allenfalls eines der vier Kriterien für eine Börsenblase im roten Bereich. Allerdings relativiere das weiterhin niedrige Zinsniveau selbst diese Einschränkung. Bei einem Zinssatz von rund 2,5 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen lieg laut Einschätzung von HSBC GAM die Risikoprämie mit drei Prozent noch im akzeptablen Bereich.

Der Alte Kontinent erlebt einen neuen Frühling
Noch besser sieht für Heger die Situation in Europa aus. Hier sei eine Aktieneuphorie nicht in Sicht. Im Gegenteil, angesichts der bevorstehenden Wahlen in Frankreich seien viele Anleger eher skeptisch. Die Konjunkturdynamik ist ungebrochen.

"Im März erreichten die Stimmungsindikatoren für Industrie und Dienstleistungen in der Eurozone ein neues Sechs-Jahres-Hoch. Dank des unterbewerteten Euros und der niedrigen Ölpreise wächst die Eurozone gegenwärtig mit 1,6 Prozent deutlich oberhalb ihres langfristigen Wachstumspotenzials", erklärt der Experte. Auch von der Geldpolitik komme kaum Gegenwind. Zwar hat sich das Ankaufsprogramm im April von 80 auf 60 Milliarden Euro monatlich reduziert. Die Nullzinspolitik dürfte jedoch noch eine geraume Zeit anhalten. "Diese sorgt zusammen mit einer historisch moderaten Gewinnbewertung für eine ungewöhnlich hohe Risikoprämie von über vier Prozent", schreibt Heger.

An den meisten übrigen Aktienmärkten sehen die Bewertungsrelationen zwar nicht ganz
so günstig aus, eine Überbewertung ist aber nicht erkennbar. "Wir halten es daher noch für zu früh, aus Aktien auszusteigen. Der lange Aufschwung seit November und die leichte Überbewertung in den USA rechtfertigen jedoch keine Übergewichtung mehr. Wir bleiben neutral positioniert – mit einem Übergewicht in Europa", erklärt Heger abschließend. (aa)